Geschwindigkeitsübertretung Teil 2
Urteil 19
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht in seinem Urteil die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässigkeit der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung ermöglichen. Hierzu gehört, dass er in den Urteilsgründen zumindest die zur Feststellung der eingehaltenen Geschwindigkeit angewandte Messmethode mitteilt und darüber hinaus darlegt, dass mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind.
OLG Hamm
Az.: 2 Ss OWi 35/04
Beschluss vom 09.02.2004
Leitsatz:
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht in seinem Urteil die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässigkeit der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung ermöglichen. Hierzu gehört, dass er in den Urteilsgründen zumindest die zur Feststellung der eingehaltenen Geschwindigkeit angewandte Messmethode mitteilt und darüber hinaus darlegt, dass mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 30. September 2003 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 02. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Hagen zurückverwiesen.
Gründe:
Der Betroffene ist durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 130,- € verurteilt worden. Außerdem ist ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet worden, dessen Wirksamkeit eintritt, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 06. Dezember 2002 um 10.53 Uhr die BAB 1 in Hagen in Fahrtrichtung Köln in Höhe des Kilometersteins 60,9 mit einer "festgestellten Geschwindigkeit" von 146 km/h, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit 100 km/h betrug.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, u.a. wie folgt begründet:
"Die gem. 79 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Ihr ist in der Sache ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht zu versagen.
Das Urteil ist auf die Sachrüge aufzuheben, weil die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts die Verurteilung des Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bislang nicht tragen. Die Feststellungen sind vielmehr lückenhaft und ermöglichen nicht die Überprüfung der festgesetzten Rechtsfolgen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht in seinem Urteil die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässigkeit der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung ermöglichen.
Hierzu gehört, dass er in den Urteilsgründen zumindest die zur Feststellung der eingehaltenen Geschwindigkeit angewandte Messmethode mitteilt und darüber hinaus darlegt, dass mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind (zu vgl. Senatsbeschluss vom 13.08.2001 - 2 Ss OWi 725/2001 - m. w. N. und vom 24.03.2000 in MDR 2000, 765).
Vorliegend teilt das Amtsgericht weder mit, mit welcher Messmethode die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung von den Polizeibeamten ermittelt worden ist, noch wird dargelegt, welcher Toleranzabzug berücksichtigt worden ist.
Diese Mitteilungen waren nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Betroffene, wie im Urteil mitgeteilt ist, ein "Geständnis" abgelegt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zu vgl. BGH NJW 1993m 3081 ff. m. w. N.) kann zwar eine Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit grundsätzlich auch auf ein Geständnis des Betroffenen gestützt werden. Aber auch, wenn dieses vorliegt, muss das (standardisierte) Messverfahren und die nach Abzug der Messtoleranz ermittelten Geschwindigkeit mitgeteilt werden, zumal der Betroffene das angewandte Messverfahren in der Regel kaum einräumen kann, da ihm dieses meistens nicht bekannt sein wird (zu vgl. OLG Hamm, a. a. O.).
Rechtlich bedenklich ist weiterhin, ob die zur Begründung des angeordneten Fahrverbots herangezogene verkehrsrechtliche Voreintragung des Betroffenen überhaupt verwertbar war.
Bei der Verwertung von Voreintragungen des Betroffenen sind grundsätzlich das Datum des Erlasses des Bußgeldbescheides und das seiner Rechtskraft anzugeben (zu vgl. Senatsbeschluss vom 22.01.2003 NZV 2003, 298). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Amtsgericht teilt lediglich mit, dass der Betroffene am 05.10.2002 wegen der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit einer Geldbuße in Höhe von 50,00 € belegt worden ist.
Diese Ausführungen ermöglichen es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht, Feststellungen zur Verwertbarkeit der zu Lasten des Betroffenen berücksichtigten Voreintragungen zu treffen, da nicht erkennbar ist, ob die auf Grund des Vorfalls vom 05.10.2002 ergangene Bußgeldentscheidung zum Zeitpunkt des Urteils am 30.09.2002 bereits rechtskräftig war.
Rechtsfehlerhaft und damit zu beanstanden ist auch, dass das Amtsgericht sich bei der Begründung der Verhängung des Fahrverbots nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob nicht allein deshalb von der Verhängung des Fahrverbots - bei gleichzeitiger (nochmaliger) Erhöhung der festgesetzten Geldbuße - abgesehen werden konnte, weil bei diesem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf diese Weise erreicht werden kann. Zwar ist das Gericht bei Vorliegen eines Regelfalls nach der Bußgeldkatalogverordnung, wenn keine durchgreifenden Anhaltspunkte für ein Abweichen erkennbar sind, von der Verpflichtung enthoben, die grundsätzliche Angemessenheit der Verhängung eines Fahrverbotes besonders zu begründen. Der Tatrichter muss sich aber dieser Möglichkeit bewusst gewesen sein und dies in den Entscheidungsgründen grundsätzlich erkennen lassen (zu vgl. Senatsbeschluss vom 06.02.2002 in DAR 2002, 276).
An den erforderlichen Ausführungen fehlt es hier. Die Feststellungen bringen nämlich in keiner Weise zum Ausdruck, dass sich der Tatrichter der Möglichkeit bewusst ist, trotz Annahme eines Regelfalls nach der Bußgeldkatalogverordnung von der Verhängung eines Fahrverbots allein unter (nochmaliger) Erhöhung der Geldbuße absehen zu können. Vielmehr deuten die vom Amtsgericht verwendeten Formulierungen darauf hin, dass es nur die Frage, ob wegen Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden könne, geprüft hat.
Nicht zu beanstanden hingegen ist, dass das tatrichterliche Urteil keine ausdrücklichen Ausführungen zu einem sogenannten "Augenblicksversagen" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (zu vgl. BGHSt 43, 241) enthält. Der Betroffene hat sich auf ein solches Augenblicksversagen ersichtlich nicht berufen.
Nach allem sind damit weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist."
Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei und weist ergänzend auf Folgendes hin:
Auch wenn das Datum des Bußgeldbescheides bzw. des Urteils und deren Rechtskraft bezüglich der Voreintragung nicht mitgeteilt worden sind und diese Daten daher auch noch nach der Begehung der vorliegenden Tat liegen könnten, wäre eine Verwertung zu Lasten des Betroffenen jedenfalls dann möglich, wenn festgestellt werden könnte, dass der Betroffene wegen des am 5. Oktober 2002 begangenen Geschwindigkeitsverstoßes vor Begehung der vorliegenden Tat von der Einleitung des gegen ihn gerichteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens in Kenntnis gesetzt worden wäre. Sollte sich der Betroffene möglicherweise auf ein "Augenblicksversagen" berufen, so werden Feststellungen zur Aufstellung der die Geschwindigkeit begrenzenden Verkehrszeichen zu machen sein bzw. dazu, ob es sich eventuell um einen Verkehrstrichter gehandelt hat.
Im Übrigen wird der Tatrichter bei Vorliegen der Voraussetzungen und Darlegung der o.g. Kriterien bei Zumessung der Rechtsfolgen jedenfalls im Hinblick auf den inzwischen seit der Tat eingetretenen Zeitablauf nicht gehindert sein, das bei einer Ordnungswidrigkeit der vorliegenden Art in der Regel zu verhängende Fahrverbot anzuordnen. Zu dieser Frage hat der Senat in einem ähnlich gelagerten Fall in seinem Beschluss vom 3. Juli 2003 (2 Ss OWi 413/03) ausgeführt:
"Soweit das Amtsgericht im Hinblick auf den Zeitablauf von knapp einem Jahr und fünf Monaten zwischen der Tat und dem Urteil keine Ausführungen zur Notwendigkeit der Verhängung des Fahrverbots gemacht hat, war dies hier nicht erforderlich. Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass jedenfalls bei einem Zeitraum von mehr als zwei Jahren zwischen Tat und Ahndung auf Ausführungen hierzu nicht verzichtet werden kann, doch gilt dies nicht für den vorliegenden Zeitraum (vgl. BayObLG in zfs 2002, 202; Beschluss des hiesigen 5. Senats für Bußgeldsachen vom 18. Mai 2000 in DAR 2000, 580; Beschluss des hiesigen 3. Senats für Bußgeldsachen vom 25. Juni 2002 in 3 Ss OWi 341/02, wonach bei einem Zeitablauf von nur einem Jahr und neun Monaten durchaus noch ein Fahrverbot hätte verhängt werden können)."
Nach allem war das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Hagen zurückzuverweisen.
Urteil 20
Eingeschalteter defekter Tempomat schützt bei Geschwindigkeitsüberschreitung vor Strafe nicht.
OLG Hamm
Az: 2 Ss OWi 200/06
Beschluss vom 21.04.2006
Bußgeldsache wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 16. Januar 2006 gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 12. Januar 2006 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 04. 2006 durch den Richter am Landgericht (als Einzelrichter gem. 80 a Abs. 1 OWiG) auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels fallen dem Betroffenen zur Last.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 110,- Euro verurteilt und nach 41 Abs. 2, 49 StVO, 24, 25 StVG, 4 Abs. 1 BKatV ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 30. April 2005 um 15.55 Uhr mit seinem damaligen Firmenfahrzeug Daimler Chrysler in Herne die Bundesautobahn 42 in Fahrtrichtung Duisburg, wobei dort die zulässige Höchstgeschwindigkeit gemäß 41 (Zeichen 274) StVO auf 100 Km/h beschränkt ist. Auf der Fahrt wurde der Betroffene mit einer gefahrenen Geschwindigkeit von 152 Km/h gemessen. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit dem Radarmessgerät Multanova 6 F. Das Amtsgericht ist unter Berücksichtigung eines Toleranzwertes von 3 %, aufgerundet auf 5 Km/h, von einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 47 Km/h ausgegangen.
Mit seiner Rechtsbeschwerde erhebt der Betroffene die Sachrüge und eine Verfahrensrüge.
Mit der Sachrüge macht er geltend, das Amtsgericht habe sein Ermessen im Hinblick auf die Anordnung des einmonatigen Fahrverbotes nicht pflichtgemäß ausgeübt, da es sich insbesondere nicht mit den Besonderheiten des Einzelfall und der besonderen Härte für den Betroffenen hinreichend auseinandergesetzt habe.
Mit der Verfahrensrüge macht der Betroffene geltend, dass Amtsgericht habe in den Urteilsgründen Feststellungen getroffen, die einer Wahrunterstellung im Hinblick auf einen Defekt des vom Betroffenen zum Tatzeitpunkt eingesetzten Tempomats seines Fahrzeuges widersprechen. Bei zutreffender Anwendung der vom Amtsgericht zugesicherten Wahrunterstellung entfalle der Fahrlässigkeitsvorwurf.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Die zulässige Rechtbeschwerde des Betroffenen hat - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - keinen Erfolg.
Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß 3 Abs. 3, 41 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG. Es ist dabei nicht zu beanstanden, dass das angefochtene Urteil sich hinsichtlich der Feststellungen zur Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung darauf beschränkt, dass die Messung mit dem Radargerät Multanova 6 F vorgenommen wurde und die Tatrichterin zum Ausgleich von Messungenauigkeiten einen Toleranzwert von 5 Km/h von der gemessenen Geschwindigkeit abgezogen hat. Dies ist, wenn - wie hier - Besonderheiten nicht vorliegen, nach ständiger Rechtsprechung aller Obergerichte ausreichend, zumal der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung an sich und auch deren Höhe geständig eingeräumt bzw. nicht bestritten hat.
2.
Die formelle Rüge der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg und führt ebenfalls nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Hierbei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob das Amtsgericht eine von ihm selbst anlässlich der Beweisanträge des Betroffenen beschlossene Wahrunterstellung nicht eingehalten hat, was allerdings nahe liegt, weil nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte eine Wahrunterstellung dazu zwingt, die behauptete Tatsache in ihrem wirklichen Sinn und ohne jede Einschränkung, Einengung, Verschiebung oder sonstige Änderung in den Urteilsfeststellungen als wahr zu behandeln (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Juni 1999 in 2 Ss 612/99 = VRS 98, 30; StraFo 1999, 306; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 44 Rdnr. 71). Das erscheint nicht eingehalten, da das Amtsgericht die als wahr unterstellten Tatsachen über den Defekt des Tempomats, den Zeitpunkt seines erstmaligen Auftreten und seine Erkennbarkeit in den Urteilsgründen doch in Zweifel zieht und sie als Schutzbehauptungen wertet.
Hierauf beruht die Verurteilung wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung jedoch nicht, weil die als wahr unterstellten aber in Zweifel gezogenen Tatsachen ersichtlich nicht Anknüpfungspunkt für den Fahrlässigkeitsvorwurf sind. Vielmehr hat das Amtsgericht ausweislich der Urteilsfeststellungen den Fahrlässigkeitsvorwurf zutreffend daran anknüpft, dass der Betroffene trotz eingeschaltetem (defektem) Tempomat verpflichtet bleibt, die von ihm gefahrene Geschwindigkeit zu kontrollieren und so die Einhaltung von Beschränkungen der Höchstgeschwindigkeit zu gewährleisten. Jedenfalls gegen diese Kontroll- und Überwachungspflicht hat der Betroffene (fahrlässig) verstoßen, weil er ansonsten die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit sofort auf die zulässige hätte reduziert müssen. Für diesen Fahrlässigkeitsvorwurf ist die beantragte Beweiserhebung über einen Defekt des Tempomats tatsächlich auch (zu Gunsten des Betroffenen) überflüssig, weil der ihm bekannte Defekt keinen Einfluss auf diese Kontrollpflicht hat und sie insbesondere nicht entfallen lässt.
3.
Auch die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt Rechtsfehler, die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung insoweit führen könnten, nicht erkennen.
Die äußerst maßvolle Erhöhung des Regelbußgeldes um 10,- Euro auf 110,- Euro ist nicht zu beanstanden, da der Betroffene gerade erst am 2. November 2004 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 23 Km/h außerhalb geschlossener Ortschaften mit einer Geldbuße in Höhe von 40,- Euro belegt worden war.
Das Amtsgericht hat die vom Betroffenen angegriffene Anordnung des Fahrverbotes zutreffend auf das Regelbeispiel des 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV gestützt. Die Feststel lungen ergeben zweifelsfrei das Vorliegen eines groben Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers. Die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung ist grob, weil es sich um eine erhebliche handelt. Derartige Verkehrsverstöße sind immer wieder Ursache schwerer Verkehrsunfälle.
Das verhängte Fahrverbot ist auch nicht unverhältnismäßig. Ausweislich der Urteilsfeststellungen haben sich in der Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein einmonatiges Fahrverbot die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährden würde. Die im Rahmen der Rechtsbeschwerde allein mögliche Überprüfung dieser Beurteilung auf Lückenhaftigkeit oder Widersprüchlichkeit hat keinen Fehler zu Lasten des Betroffenen ergeben. Allein der Umstand, dass der Betroffene seine freiberufliche Tätigkeit jedenfalls nicht an seinem Wohnort betreibt, führt nicht zu der Annahme, dass ihn ein einmonatiges Fahrverbot, dessen Zeitpunkt er überdies in den Grenzen der Nebenentscheidung bestimmen kann, in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährden würde. Insbesondere ist die Erwägung des Amtsgerichts, der Betroffene könne seinen derzeitigen (einzigen) Auftraggeber in Köln und einen möglicher Weise zweiten Auftraggeber in Stuttgart ab August 2006 auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen, frei von Denk- und Rechtsfehlern.
Soweit die Rechtsbeschwerde dieser Einschätzung des Amtsgerichts mit den tatsächlichen Ausführungen entgegen tritt, dass der Betroffene projektbezogene Tätigkeiten von kurzer Dauer ausübe, sich Folgeaufträge erst sehr kurzfristig ergeben, er häufig mehrere Projekte parallel an verschiedenen Orten bearbeite und deswegen für seine berufliche Tätigkeit eine hohe Mobilität erforderlich sei, können diese Ausführungen nicht berücksichtigt werden. Sie finden keine Erwähnung in den Urteilsfeststellungen. Nur diese können aber im Rahmen der Rechtsbeschwerde einer (so begrenzten) Überprüfung unterzogen werden.
Schließlich hat die Tatrichterin bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Fahrverbotes die Möglichkeit gesehen und erwogen, gegen eine Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot abzusehen, dies aber im Ergebnis unter Hinweis auf den bereit kurz zuvor stattgefundenen Verstoß abgelehnt. Diese Entschidung hält sich im Rahmen rechtsfehlerfreien Ermessens.
Die Kostenentscheidung beruht auf 473 Abs. 1 StPO i.V.m. 6, 79 Abs. 3 OWiG.
Urteil 21
Enthält das tatrichterliche Urteil wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung keine Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug von der gemessenen Geschwindigkeit des Betroffenen, bedeutet das Fehlen dieser Angabe nicht, dass die Feststellungen zu der dem Betroffenen vorgeworfenen Tat als lückenhaft anzusehen sind. Ein Sonderfall, der ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen würde, wird nicht dadurch begründet, dass der Zweck oder der Anlass einer Geschwindigkeitsbeschränkung für einen Kraftfahrer nicht ohne weiteres sofort erkennbar ist.
OLG Hamm
Az.: 3 Ss OWi 11/04
Beschluss vom 18.03.2004
Leitsatz:
1. Enthält das tatrichterliche Urteil wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung keine Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug von der gemessenen Geschwindigkeit des Betroffenen, bedeutet das Fehlen dieser Angabe nicht, dass die Feststellungen zu der dem Betroffenen vorgeworfenen Tat als lückenhaft anzusehen sind.
2. Ein Sonderfall, der ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen würde, wird nicht dadurch begründet, dass der Zweck oder der Anlass einer Geschwindigkeitsbeschränkung für einen Kraftfahrer nicht ohne weiteres sofort erkennbar ist.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 28.07.2003 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herford zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Durch das angefochtene Urteil ist der Betroffene wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß den 24 Abs. 2 StVG, 41 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Ziffer 4 StVO (außerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitung um 29 km/h) zu einer Geldbuße von 270,- € verurteilt worden.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts betreibt der Betroffene ein kleines medizinisch-elektronisches Unternehmen. Um seine Kunden innerhalb Deutschlands aufzusuchen, ist er regelmäßig mit einem Geschäftsfahrzeug unterwegs, mit dem er pro Jahr ca. 120.000 km zurücklegt.
Das Amtsgericht hat weiterhin festgestellt, dass der Betroffene bereits straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist. Er wurde durch Entscheidung des Amtsgerichts Vechta vom 05.03.2001, rechtskräftig seit dem 17.02.2001, wegen einer fahrlässigen Überschreitung der durch Verkehrsschilder angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 27 km/h auf der BAB A 1 zu einer Geldbuße von 100,- DM verurteilt. Gegen ihn wurde außerdem durch Bußgeldbescheid des Kreises Viechtach vom 17.06.2002, rechtskräftig seit dem 04.07.2002, wegen Überschreitung der durch Verkehrsschilder angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um mindestens 37 km/h auf der BAB A 7 eine Geldbuße in Höhe von 150,- € verhängt.
Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Der Betroffene befuhr am 22.10.2002 gegen 19.07 Uhr mit einem Pkw, amtl. Kennzeichen XXXXXXXXXX im Bereich der Gemeinde Kirchlengern die Bundesautobahn A 30 in Fahrtrichtung Bad Oeynhausen. In Höhe des Kilometers 117,650 hatte der Betroffene eine Baustelle zu passieren. Innerhalb dieser Baustelle war durch mehrfach aufgestellte Verkehrszeichen eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h angeordnet. Der Betroffene achtete beim Passieren der entsprechenden Verkehrszeichen nicht auf die angeordnete Höchstgeschwindigkeit. Er fuhr mit einer Geschwindigkeit von mindestens 89 km/h durch die Baustelle. Er fiel dabei einem Polizeibeamten auf, der im Rahmen einer ordnungsgemäß durchgeführten Geschwindigkeitsmessung mit einem Radarmeßgerät eine "Nettogeschwindigkeit" von 89 km/h feststellte. Der Betroffene überschritt somit die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h aus Fahrlässigkeit um mindestens 29 km/h. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung hätte er ohne weiteres erkennen und vermeiden können."
Diese Feststellungen beruhen nach den weiteren Ausführungen in dem angefochtenen Urteil u.a. auf der Einlassung, die die Verteidigung für den Betroffenen abgegeben hat.
Das Amtsgericht ist bei der Bemessung der Geldbuße von der nach der Bußgeldkatalogverordnung für einen Verstoß der festgestellten Art vorgesehenen Regelbuße in Höhe von 50,- € ausgegangen und hat diese unter Berücksichtigung der Vorbelastungen des Betroffenen auf 90,- € erhöht. Es hat sodann festgestellt, dass im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbotes gemäß 4 Abs. 2 der BKatV vorliegen. Es hat aber dennoch von der Anordnung des Regelfahrverbotes abgesehen. Im Rahmen der Begründung dieser Entscheidung wird unterstellt, dass die Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h aus Anlass einer Baustelle erfolgt sei und ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des Akteninhalts letztlich offen bleibe, ob ein Kraftfahrer wie der Betroffene in der Lage gewesen sei, die Notwendigkeit der aufgestellten Verkehrszeichen mit der Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h zu erkennen und zu beachten oder ob ein Kraftfahrer Anlass gehabt habe, die Baustellenbeschilderung nicht völlig ernst zu nehmen. Dem Gericht sei es deshalb letztlich nicht möglich, das Ausmaß des Verschuldens sachgerecht zu beurteilen und insbesondere festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbotes nach 25 StVG vorlägen. Als Beurteilungsgrundlage verbleibe vielmehr lediglich die Höhe der begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung, also der bloße formelle Verstoß gegen eine Geschwindigkeitsbeschränkung. Insbesondere wenn es um die Verhängung eines Fahrverbotes gehe, müsse aber eigentlich eine weitere Differenzierung erfolgen, indem die weiteren Einzelumstände, wie Sicht- und Wetterverhältnisse, Verkehrsdichte, potentielle Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer sowie die konkrete Verkehrssituation berücksichtigt würden. Hinzu komme, dass in den letzten Jahren die Wahrscheinlichkeit für einen Kraftfahrer, wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung aufzufallen, deutlich gestiegen sei. Die Vorschriften der Bußgeldkatalogverordnung betreffend die Festsetzung eines Fahrverbotes seien dabei insbesondere bei formellen Geschwindigkeitsüberschreitungen mit großer Vorsicht zu bewerten. Dementsprechend müsse bei der Ausnahmevorschrift des 4 Abs. 4 der BKatV großzügiger verfahren werden, als es bisher von den Gerichten angenommen worden sei.
Die Annahme eines Ausnahmefalls im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht wie folgt begründet:
"Dem Betroffenen kann allein ein formeller Verkehrsverstoß angelastet werden. Die beiden Vorbelastungen spielten sich ebenfalls auf der Autobahn ab. Auch hier ging es allein um formelle Verkehrsverstöße ohne Bezug auf die konkrete Verkehrssituation. Der Betroffene ist als Vielfahrer täglich mit dem Pkw unterwegs. Bei der erheblich gestiegenen Überwachungsdichte ist es dann kein Wunder, daß er innerhalb eines kurzen Zeitraumes von ein oder zwei Jahren infolge einer technischen Verkehrsüberwachung insgesamt dreimal in Erscheinung getreten ist. Das Gericht hat somit Schwierigkeiten, den Betroffenen als "Wiederholungstäter" zu qualifizieren. Es ist deshalb ohne weiteres zulässig, das Fahrverbot gegen angemessene Erhöhung der Geldbuße wegfallen zu lassen. Hinzu kommt, daß vorliegend die "Schmerzgrenze" für einen "Wiederholungsfall" von 25 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung lediglich um 4 km/h überschritten wurde. Bei der letzten Vorbelastung, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls innerhalb einer Baustelle auf einer Autobahn abspielte, lag diese Geschwindigkeitsüberschreitung bei 37 km/h. Das ist nicht allzu erheblich, wenn man bedenkt, daß in Baustellen auf Autobahnen regelmäßig Geschwindigkeiten von ca. 100 km/h und mehr zu beobachten sind, auch wenn lediglich 60 km/h erlaubt sind. Die weitere Vorbelastung erfaßt nur eine mäßige Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h auf einer Autobahn. Die bisher festgestellten Geschwindigkeitsverstöße liegen damit insgesamt eher im unteren Bereich und begründen nicht unbedingt die Annahme, der Betroffene sei ein "Raser" und müsse schon deshalb mit einem Fahrverbot belegt werden.
Der Wegfall des Fahrverbotes kann im übrigen auch wegen der beruflichen Belastung, die ein solches Fahrverbot für den Betroffenen bedeuten würde, begründet werden. Der Betroffene hat unwiderlegt ausgeführt, daß er in seiner beruflichen Eigenschaft pro Jahr ca. 120.000 km zurücklegt. Das Gericht ist nicht in der Lage, diese entlastende Einlassung des Betroffenen zu widerlegen. Es ist in einem Bußgeldverfahren für das Gericht nicht zumutbar, die persönlichen und wirtschaftlichen Umstände bei einem Betroffenen zu ermitteln, wenn es um den Wegfall eines Fahrverbotes wegen beruflicher Härte geht. Es ist aber auch nicht Aufgabe des Betroffenen, seine entlastenden Behauptungen unter Beweis zu stellen, denn das würde im strafrechtlichen Bereich zu einer Umkehr der Beweislast führen, was systemfremd ist. Das Gericht ist folglich bei dem festgestellten Sachverhalt von der Annahme ausgegangen, daß die Behauptungen des Betroffenen zu seiner beruflichen Situation zutreffend, vollständig und richtig sind. Dann aber ist ohne weiteres nachvollziehbar, daß der Betroffene in seiner beruflichen Tätigkeit schwer getroffen wird, wenn er als Vielfahrer mit einem einmonatigen Fahrverbot belegt wird.
Unter Abwägung aller Umstände hielt es das Gericht für angemessen, die verwirkte Geldbuße von 90,-- Euro zu verdreifachen, gegen den Betroffenen eine erhöhte Geldbuße von 270,-- Euro, die von ihm auch wirtschaftlich ohne weiteres verkraftet werden kann, festzusetzen und dafür das an sich verwirkte Fahrverbot wegfallen zu lassen."
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und wendet sich unter näheren Ausführungen gegen das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld unter ergänzenden Ausführungen beigetreten. Sie ist der Auffassung, dass die Urteilsfeststellungen lückenhaft seien und deshalb bereits den Schuldausspruch wegen einer fahrlässig begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht zu tragen vermögen. Das amtsgerichtliche Urteil enthalte nämlich weder Angaben zu dem in Abzug gebrachten Toleranzwert noch werde die Art des verwendeten Messverfahrens mitgeteilt, so dass dem Senat eine Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Messung nicht möglich sei.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie führt auf die erhobene Sachrüge zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Herford.
1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld ist bei zutreffender Auslegung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Denn die umfangreiche Rechtsbeschwerdebegründung vom 11.08.2003 befasst sich ausschließlich mit der unterbliebenen Verhängung des Regelfahrverbotes und endet mit dem Satz, dass insgesamt daher festzustellen sei, dass die Gründe der Entscheidung das Absehen vom Fahrverbot nicht tragen.
Gegen die Wirksamkeit der Beschränkung der Rechtsbeschwerde ergeben sich auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft keine Bedenken.
Eine wirksame Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt nach herrschender Meinung voraus, dass das angefochtene Urteil eine Prüfung ermöglicht. Unwirksam ist dagegen eine Beschränkung, wenn die Schuldfeststellungen in dem angefochtenen Urteil derart knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., 318 Randziffer 16 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch im Ordnungswidrigkeitsverfahren (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl.,
79 Randziffer 9 m.w.N.).
Das angefochtene Urteil enthält ausreichende Feststellungen sowohl zur äußeren als auch zur inneren Tatseite der dem Betroffenen vorgeworfenen Verkehrsordnungswidrigkeit und ermöglicht daher eine Überprüfung des Schuldumfangs. Denn es wird mitgeteilt, welche zulässige Höchstgeschwindigkeit der Betroffene zur Tatzeit mit dem von ihm außerhalb geschlossener Ortschaft geführten PKW zu beachten hatte, sowie in welchem Umfang der Betroffene diese Geschwindigkeit überschritten hat. Aus dem angefochtenen Urteil lässt sich auch entnehmen, dass der Tatrichter von einem fahrlässigen Handeln des Betroffenen ausgegangen ist.
Entgegen den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 02.02.2004 wird in dem angefochtenen Urteil das angewandte Messverfahren mitgeteilt. Denn es wird ausgeführt, dass die Geschwindigkeitsmessung mittels eines Radarmessgeräts - hierbei handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren - ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Es bedarf daher im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Erörterung, ob die unterbliebene Mitteilung der Messmethode möglicherweise zur Wirksamkeit einer rechtswidrigen Beschränkung führen kann.
Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug von der gemessenen Geschwindigkeit des Betroffenen enthalten die Urteilsgründe allerdings nicht. Das Fehlen dieser Angabe bedeutet aber nicht, dass die Feststellungen zu der dem Betroffenen vorgeworfenen Tat als lückenhaft anzusehen sind und dass infolge dessen die erklärte Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam ist. Soweit der Senat bisher bei einer solchen Fallgestaltung von einer unwirksamen Rechtsmittelbeschränkung ausgegangen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom
27. Januar 2004 - 3 Ss OWi 829/03 - und vom 05.12.2003 .- 3 Ss OWi 717/03 -), hält er an dieser Auffassung nicht mehr fest (vgl. Senatsbeschluss vom 24.02.2004 - 3 Ss OWi 686/03 -; Senatsbeschluss vom 04.03.2004 - 3 Ss OWi 769/03 -). Denn die Mitteilung des berücksichtigten Toleranzwertes ist nicht zur vollständigen Sachverhaltsfeststellung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung erforderlich, sondern um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung zu ermöglichen (vgl. BGH NJW 1993, 3081, 3083). Eine lückenhafte Beweiswürdigung schließt aber ebenso wie eine falsche Anwendung des geltenden Rechts (vgl. BGH NStZ 1996, 352) eine Rechtsmittelbeschränkung auf die Rechtsfolgenentscheidung nicht aus.
2. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils kann keinen Bestand haben. Denn die Entscheidung des Amtsgerichts über das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.
Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbotes nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (vgl. Senatsentscheidungen vom 04.03.2004 - 3 Ss OWi 769/03 - m.w.N.).
Die vom Amtsgericht angeführten Umstände stellen weder für sich allein noch in der Gesamtschau Gründe dar, die das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in der Weise abweichend erscheinen lassen, dass ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes angemessen wäre.
Ein Sonderfall wird insbesondere nicht dadurch begründet, dass der Zweck oder der Anlass einer Geschwindigkeitsbeschränkung für einen Kraftfahrer nicht ohne weiteres sofort erkennbar ist. Denn auch dann sind durch Verkehrszeichen getroffene Verkehrsregelungen zu beachten. Verkehrszeichen stellen gemäß 41 StVO nach herrschender Meinung (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41 StVO, Rdnr. 247) Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung dar. Sie sind nur ausnahmsweise unwirksam und damit unbeachtlich. Nach der Regel des 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig und unbeachtlich, soweit sich die Fehlerhaftigkeit bei Kenntnis aller für sein Zustandekommen wesentlicher Tatsachen ohne weiteres aufdrängt. Als nichtig anzusehen sind nach dieser Vorschrift Vorschriftszeichen, die offensichtlich auf reiner Willkür beruhen oder sinnwidrig sind (OLG Köln NZV 90, 483; VRS 92, 282; OLG Düsseldorf DAR 99, 82; OLG Hamm, Beschluss vom 09.10.1997 - 3 Ss OWi 685/97 -) oder bei objektiver Unklarheit, die sich durch Auslegung nicht beheben lässt (OLG Köln VRS 62, 310; NZV 92, 200; OLG Düsseldorf DAR 99, 82). Anhaltspunkte dafür, dass die von dem Betroffenen nicht beachtete Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h unter Berücksichtigung der oben angeführten Grundsätze unwirksam gewesen sein könnte, lassen sich aus dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen und werden von dem Tatrichter auch nicht angenommen.
Wie die Staatsanwaltschaft Bielefeld in ihrer Rechtsbeschwerdebegründung zutreffend ausgeführt hat, rechtfertigen auch die Umstände, dass der Geschwindigkeitsverstoß zu keiner Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat, kein Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes. Denn eine Gefährdung Dritter ist nicht Voraussetzung für die Verhängung eines Fahrverbotes gemäß 4 Abs. 2 S. 2 der BKatV.
Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes hat der Betroffene regelmäßig hinzunehmen. Derartige Nachteile rechtfertigen daher kein Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern grundsätzlich nur Härten ganz außergewöhnlicher Art, wie z.B. ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26.02.2002 - 3 Ss OWi 1065/01 -; 06.06.2000 - 3 Ss OWi 237/00 -; 25.05.1999 - 3 Ss OWi 1095/99 -; OLG Hamm VRS 90, 210; DAR 1996, 325; NZV 1995, 366).
Dass die Verhängung eines Fahrverbotes vorliegend mit derart schwerwiegenden Folgen für den Betroffenen verbunden ist, hat das Amtsgericht nicht festgestellt.
Die Entscheidung über das Absehen von dem Regelfahrverbot ist außerdem eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 04.03.2004 - 3 Ss OWi 769/03 -; vom 06.12.2001 - 3 Ss OWi 975/01 -; OLG Hamm NZV 1996, 118). Ob gravierende berufliche Nachteile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen können, bedarf entgegen der Ansicht des Amtsrichters in dem angefochtenen Urteil der positiven Feststellung durch den Tatrichter, der die entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen darlegen muss. Dazu gehören auch Ausführungen, ob der Betroffene ggf. durch Inanspruchnahme von Urlaub die beruflichen Auswirkungen eines Fahrverbotes nicht zumindest teilweise abmildern könnte oder ihm möglicherweise die vorübergehende Einstellung eines Fahrers zuzumuten ist. Die ungeprüfte Wiedergabe einer für nicht widerlegt gehaltenen Einlassung des Betroffenen, wie es hier in den Urteilsgründen geschehen ist, reicht dagegen nicht aus. Der Amtsrichter hat vielmehr die Angaben des Betroffenen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und darzulegen, aus welchen Gründen er diese für glaubhaft erachtet.
III. Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dabei hielt der Senat es für angebracht, von der Möglichkeit einer Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herford gemäß 79 Abs. 6 OWiG (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., 79 Randziffer 48) Gebrauch zu machen.
Urteil 22
Bei wiederholter Geschwindigkeitsüberschreitung droht Fahrverbot.
OLG Hamm
Az: 4 Ss OWi 693/03
Beschluss vom: 04.12.2003
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Coesfeld vom 7. August 2003 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 04. Dezember 2003 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 135,- € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt mit der Maßgabe, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Nach den getroffenen Feststellungen überschritt der Betroffene als Fahrer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXXXX am 21. Januar 2003 auf der Landstraße 550 nahe Havixbeck-Tilbeck die außerorts zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h fahrlässig um 36 km/h.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil - unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde - im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Coesfeld zurückzuverweisen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Verfahrensrüge ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt i.S.v. 344 Abs. 2 S. 2 StPO iVm. 79 Abs. 3 S. 1 OWiG.
2. Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung des Schuldspruchs hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht ergeben und ist unbegründet i.S.v. 349 Abs. 2 StPO i.V.m. 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG.
3. Auch der Rechtsfolgenausspruch lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen.
a) Zutreffend hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt, dass der Rechtsfolgenausspruch insofern keinen rechtlichen Bedenken unterliegt, als das Amtsgericht die für diesen Verstoß vorgesehene Geldbuße von 75,- € angesichts der Vorbelastungen des Betroffenen auf 135,- € erhöht hat.
b) Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht ein Fahrverbot von einem Monat gegen den Betroffenen festgesetzt.
Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft reichen die getroffenen Feststellungen aus, um hierauf ein Fahrverbot wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß 25 Abs. 1 StVG zu stützen. Die Verhängung eines Fahrverbots wegen beharrlicher Geschwindigkeitsüberschreitungen kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des 4 BKatV nicht vorliegen, vorausgesetzt, der beharrliche Pflichtverstoß ist von ähnlich starkem Gewicht (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., 25 StVG Rdnr. 15 m.w.N.). Die Vorbelastungen müssen dann in einem Umfang mitgeteilt werden, dass die Bewertung der beharrlichen Pflichtverletzung für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar ist. Regelmäßig ist in solchen Fällen erforderlich, dass die Schuldsprüche, die festgestellten Sanktionen, die Tatzeiten und die Rechtskraftdaten der Vorbelastungen mitgeteilt werden. Zwar werden in den Feststellungen des angefochtenen Urteils die Tatzeiten der drei Vorbelastungen nicht mitgeteilt und hinsichtlich der zeitlich letzten Vorbelastung wird das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht angegeben, doch lässt sich aus der Gesamtheit der mitgeteilten Vorbelastungen ein beharrlicher Pflichtenverstoß i.S.v. 25 StVG herleiten. Die beiden ersten Vorbelastungen betreffen Bußgeldbescheide der Stadt Münster vom 26. April 2000 und 8. August 2001, mit denen jeweils eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 26 km/h geahndet worden ist. Diese Bußgeldbescheide sind zeitnah rechtskräftig geworden, nämlich am 20. Mai 2000 und am 24. August 2001. Den Feststellungen ist ferner zu entnehmen, dass der Betroffene durch Urteil des Amtsgerichts Wesel vom 7. September 2001 - rechtskräftig seit dem 2. Oktober 2001 - zu einer Geldbuße von 300,- DM verurteilt worden ist wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft. Die Höhe der Geldbuße lässt darauf schließen, dass es sich um eine erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gehandelt hat. Mithin liegen insgesamt drei erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen vor, wovon eine im Jahr 2000 und zwei im Jahre 2001 geahndet worden sind. Weniger als eineinhalb Jahre nach der Verurteilung durch das Amtsgericht Wesel hat der Betroffene eine erneute Geschwindigkeitsüberschreitung begangen, nämlich die hier festgestellte, am 21. Januar 2003 um 36 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft. Anzahl und Gewicht der begangenen Verkehrsverstöße, die alle eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit betreffen, hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei dahingehend gewertet, dass der Betroffene seine Pflichten eines Kraftfahrzeugführers beharrlich verletzt hat und dies mit einem einmonatigen Fahrverbot zu ahnden ist.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus 46 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.
Urteil 23
Geschwindigkeitsüberschreitung führt nicht zu Fahrverbot, weil angenommen wurde, Zusatzschilder gelten nur für LKW.
Bayerisches Oberstes Landesgericht
Az.: 2 ObOWi 43/03
Beschluss vom 15.10.2002
Der 2. Senat für Bußgeldsachen des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat am 8. Mai 2003 in dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit einstimmig b e s c h l o s s e n :
I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Kissingen - Zweigstelle Hammelburg - vom 15. Oktober 2002 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass das Fahrverbot entfällt.
II. Die Gebühr für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt. Von den im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen und von den dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse ein Drittel.
G r ü n d e :
I.
1. Mit Urteil vom 15.10.2002 hat das Amtsgericht Kissingen - Zweigstelle Hammelburg - den Beklagten wegen "einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts" (um 67 km/h) zu einer Geldbuße von 275 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt.
Zur Tat hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Der Betroffene fuhr am 29.4.2002 um 14.29 Uhr mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen, auf der BAB A in Fahrtrichtung F. Bei km 625,050 im Gemeindebereich E fuhr der Betroffene bei Zeichen 274 StVO und der an dieser Stelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h außerorts mit einer Geschwindigkeit von mindestens 127 km/h. Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen und dem Betroffenen auch zumutbaren Aufmerksamkeit und Sorgfalt hätte dieser erkennen können und müssen, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerorts erheblich überschritt und hätte daher langsamer fahren können und müssen. Er handelte daher zumindest fahrlässig."
Im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:
"Der Betroffene hat die Fahrereigenschaft eingeräumt. Er hat geltend gemacht, er habe aufgrund der Beschilderung angenommen, die durch Zeichen 274 StVO angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h gelte nur für Lastkraftwagen, da es sich um eine Kontrollstelle des Güterverkehrs gehandelt habe. Zumindest könne ihm daher keine grobe Pflichtverletzung angelastet werden."
"Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts ergibt, dass der Betroffene eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts gemäß 41 Abs. 2, Zeichen 274, 49 StVO begangen hat, da er zumindest fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerorts um 67 km/h überschritten hat. Der Betroffene befand sich auch nicht in einem unvermeidbaren Tatbestands- oder Verbotsirrtum im Sinne des 11 OWiG. Ein Zusatzschild bezieht sich nur auf das unmittelbar darüber befindliche Verkehrszeichen. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des 39 Abs. 2 Satz 4 StVO. Nahm der Betroffene somit an, das unter dem Zeichen 'Überholverbot' angebrachte Zusatzschild beziehe sich auch auf das Zeichen 274 StVO, so befand er sich lediglich in einem ihn hier nicht entlastenden Rechtsirrtum." (Bl. 4 d.U.)
Zu der konkreten Beschilderung der Messstelle hat das Amtsgericht auf die Abbildungen Bl. 29, 29 R und 30 d.A. Bezug genommen. Aus diesen Abbildungen ergibt sich die konkrete damalige Beschilderung im Bereich der Messstelle.
2. Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Sachrüge.
Er trägt vor, sich in einem unvermeidbaren Tatbestands- bzw. Verbotsirrtum bezüglich der Wirkung der Beschilderung befunden zu haben. Er habe nämlich angenommen, die Einschränkung beziehe sich nicht nur auf das Überholverbot, sondern auch auf Zeichen 274 StVO.
Die konkrete Beschilderung entspreche nicht der Verwaltungsvorschrift zu 39 StVO. Die Regelung sei inhaltlich unklar. Jedenfalls sei ein Kraftfahrer in der Erfassung der Bedeutung der Beschilderung überfordert.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ( 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG) ist, soweit sie den Schuldspruch und die Verhängung der Geldbuße betrifft, unbegründet. Von Erfolg ist sie jedoch zum Fahrverbot; dieses entfällt.
1. a) Aus den in das Urteil einbezogenen Lichtbildern (Bl. 29, 29 R, 30 d.A.) ergibt sich, daß die Geschwindigkeit auf der BAB durch Schilderpaare, jeweils links und rechts der Fahrbahn, eingeschränkt worden war. Das zuerst zu passierende Schilderpaar weist, auf einer rechteckigen weißen Trägerfläche, das Zeichen 274 (100) und darüber das Zeichen 101 (Achtung) auf.
Das folgende Schilderpaar zeigt, auf einer rechteckigen weißen Trägerfläche, von oben nach unten gesehen, Zeichen 274 (80), Zeichen 276 (allgemeines Überholverbot) und das Zusatzzeichen 1049-13 (Geltung nur für Lkw, Busse und Wohnwagengespanne).
Das diesem folgende Schilderpaar entspricht dem vorherigen mit Ausnahme von Zeichen 274, das hier die Zahl 60 enthält.
b) Die Beschilderung genügt den nach 39 Abs. 2 StVO zu stellenden gesetzlichen Anforderungen. Denn dort ist geregelt, dass "Verkehrszeichen und Zusatzschilder" ... "auch gemeinsam, auf einer Trägerfläche angebracht werden" können ( 39 Abs. 2 Satz 5 StVO).
Wenngleich nicht zu verkennen ist, dass der Wortlaut der zugrunde liegenden Norm ( 39 Abs. 2 Satz 4 StVO: "Sie" [die Zusatzschilder] "sind dicht unter den Verkehrszeichen angebracht.") im Hinblick auf die Verwendung der Mehrzahl, bezogen auf Verkehrszeichen, auch eine andere Auslegung zulässt, so ist doch mit der ständigen Rechtsprechung (vgl. BayObLG NZV 1989, 38; 2001, 220/221 = BayObLGSt 2001, 4/5) daran festzuhalten, dass sich bei einer Beschilderung, wie hier mit dem zweiten und dritten Schilderpaar vorliegend, das Zusatzschild ausschließlich auf das dicht (unmittelbar) über ihm angebrachte Verkehrszeichen bezieht (ebenso: Hentschel Straßenverkehrsrecht 37. Aufl. 39 StVO Rn. 31 a; Janiszewski/ Jagow/Burmann StVO 16. Aufl. 39 StVO Rn. 19 b).
Daher bestand im Bereich der verfahrensgegenständlichen Messung objektiv eine auch für den Pkw-Verkehr verbindliche Geschwindigkeitsbeschränkung zunächst auf 100 km/h und sodann auf 80 km/h und dann auf 60 km/h.
Da der Betroffene, wie vom Amtsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt, eine Geschwindigkeit von 127 km/h gefahren ist, liegt objektiv - mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 67 km/h - ein Verstoß gegen 41 Abs. 2 Ziff. 7 StVO i.V.m. Zeichen 274, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO vor.
c) Dieser Verstoß ist dem Betroffenen trotz des vom Amtsgericht festgestellten Irrtums über die rechtliche Bedeutung der gegenständlichen Schilderhäufung vorzuwerfen.
aa) Das Amtsgericht hat die Einlassung des Betroffenen - zu der er Zeugenbeweis angeboten hatte -, er habe aufgrund der Beschilderung angenommen, die durch Zeichen 274 StVO auf 80 km/h und 60 km/h limitierte Geschwindigkeit gelte wie das mit Zeichen 276 angeordnete Überholverbot aufgrund der darunter befindlichen Zusatzschilder nicht für einen Pkw, als solche nicht in Zweifel gezogen und mithin einen Irrtum des Betroffenen festgestellt.
Der Betroffene hat die Verkehrszeichen optisch richtig wahrgenommen. Damit scheidet ein Tatbestandsirrtum ( 11 Abs. 1 OWiG) aus. Die falsche rechtliche Auslegung einer optisch richtig wahrgenommenen Verkehrsregelung begründet aber einen Verbotsirrtum im Sinne von 11 Abs. 2 OWiG (vgl. Hentschel aaO 24 StVG Rn. 34 m.N.; Janiszewski/Jagow/Burmann aaO Rn. 23; Göhler OWiG 13. Aufl. 11 Rn. 22). Der (vom Amtsgericht verwendete) Begriff "Rechtsirrtum", den das Reichsgericht neben den des "Tatsachenirrtums" gestellt hatte (RGSt 72, 309), gilt als überholt (vgl. Göhler aaO Rn. 4; Tröndle/ Fischer StGB 51. Aufl. 16 Rn. 10).
bb) Ein Verbotsirrtum führt, nach Maßgabe von 11 Abs. 2 OWiG, allerdings nur dann zur Entlastung des Betroffenen, wenn er den Irrtum nicht vermeiden konnte.
Irrt ein Verkehrsteilnehmer über die Bedeutung einer Verkehrsregelung, so ist dieser Irrtum in aller Regel als vermeidbar anzusehen.
Anders kann es zwar sein, wenn die in Frage stehende Verkehrsregelung die gebotene Klarheit im Sinne einer sofortigen Verständlichkeit aus sich selbst heraus (zu diesem Erfordernis: BGHSt 25, 293/299) vermissen lässt (vgl. BayObLGSt 1977, 192/193).
Das aber ist bezüglich der hier in Frage stehenden Verkehrszeichen trotz ihrer Abfolge und trotz der konkreten Platzierung der drei Verkehrszeichen an einem Pfosten (auf einer Trägerfläche) nicht anzunehmen. Denn jedenfalls bei Kenntnis der Vorschrift des 39 Abs. 2 Satz 4 StVO, die sich, ihrem schon aus der Überschrift des Kapitels II ("Zeichen und Verkehrseinrichtungen") abzuleitenden Sinngehalt nach, nicht nur an die für die Beschilderung verantwortliche Verwaltungsbehörde, sondern auch an die Verkehrsteilnehmer wendet, muss jeder Verkehrsteilnehmer bereits auf den ersten Blick wissen, dass sich die Wirkung eines Zusatzzeichens ausschließlich auf das unmittelbar ("dicht") über ihm befindliche Verkehrszeichen beschränkt.
Der Senat verkennt nicht, dass eine Fehlauffassung zur Bedeutung einer Häufung von Verkehrszeichen, wie verfahrensgegenständlich, durchaus nicht fern liegt, doch macht dies für sich allein den entsprechenden Irrtum nicht unvermeidbar im Sinne von 11 Abs. 2 OWiG. Angesichts der hohen Anforderungen, die der Straßenverkehr heute an alle Fahrzeugführer stellt, ist die Kenntnis der Verkehrsregelungen, auch der vielfach als weniger bekannt eingestuften, unverzichtbare Voraussetzung verantwortungsbewusster Teilnahme am Straßenverkehr. Hat sich ein Fahrzeugführer nicht im gebotenen Umfang, nämlich vollständig, über die Verkehrsregelungen unterrichtet, so gründet bei der Bewertung einer irrtümlichen Fehlauffassung die Vorwerfbarkeit darauf, dass er sich nicht ausreichend vorinformiert hat.
Für die Annahme der Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums genügt es also nicht, wenn die in Frage stehende Schilderhäufung von dem Verkehrsteilnehmer in ihrer - objektiv eindeutigen - Wirkung missverstanden worden ist. Für die Bejahung von Unvermeidbarkeit müsste hinzukommen, dass die konkrete Verkehrsregelung sogar für einen Verkehrsteilnehmer, der umfassend über die Verkehrsvorschriften unterrichtet ist, keine ausreichende Klarheit aufgewiesen hat (im Ergebnis ebenso: BayObLG NZV 1989, 38; weitergehend: BayObLG VerkMitt 1972, 49/51; BayObLGSt 1977, 192; bei Rüth DAR 1984, 235 Nr. 12 a; vgl. OLG Saarbrücken VRS 47, 387/388; Hentschel Straßenverkehrsrecht 37. Aufl. 24 StVG Rn. 35, 39 StVO Rn. 36; Janiszewski/Jagow/Burmann StVO 16. Aufl. 39 StVO Rn. 19 b).
Die hier in Frage stehende Verkehrsregelung durch Schilderhäufung war, bei objektivierender Betrachtung auf der Basis umfassender Kenntnis der Verkehrsvorschriften, nicht unklar. Der vom Amtsgericht festgestellte Verbotsirrtum des Betroffenen ist deshalb nicht als "unvermeidbar" im Sinne von 11 Abs. 2 OWiG zu bewerten.
Da der Verkehrsverstoß mithin dem Betroffenen vorzuwerfen ist, ist der Schuldspruch rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält rechtlicher Überprüfung jedoch nur stand, soweit er die Verhängung der Geldbuße betrifft.
a) Die Verhängung der Regelgeldbuße (Tabelle 1 c lfd. Nr. 11.3.9 zur BKatV) bewegt sich im Rahmen des dem Tatrichter zuzuerkennenden Ermessensspielraums ( 17 Abs. 3 OWiG).
b) Die Verhängung des Fahrverbots von zwei Monaten hat das Amtsgericht allein auf das Vorliegen eines Regelfalles im Sinne der Tabelle 1 c lfd. Nr. 11.3.9 zur BKatV gestützt. Das genügt nicht den zu stellenden Anforderungen; ein Fahrverbot darf nämlich selbst bei generell als objektiv schwerwiegend eingestuften Verkehrsordnungswidrigkeiten nur verhängt werden, wenn auch im Einzelfall ein subjektiv besonders verantwortungsloses Verhalten des Betroffenen zu bejahen ist (vgl. Janiszewski/Jagow/Burmann aaO 25 StVG Rn. 9 a).
Liegen, wie hier vom Amtsgericht zur subjektiven Seite des Verkehrsverstoßes mit der Bejahung eines - wenngleich vermeidbaren - Verbotsirrtums festgestellt, besondere Umstände vor, so müssen diese auch in "Regelfällen" jedenfalls dann bedacht werden, wenn sie die durch den Regelfall indizierte Annahme einer "groben" (oder "beharrlichen") Pflichtverletzung ernsthaft in Frage zu stellen geeignet sind (vgl. OLG Düsseldorf VRS 85, 296; KG NZV 1994, 159).
Die Verneinung von Rücksichts- und Verantwortungslosigkeit trotz eines objektiv schwerwiegenden Geschwindigkeitsverstoßes kommt vor allem in Betracht, wenn der festgestellte Verbotsirrtum als solcher keinen fern liegenden Irrtum darstellt, wobei auch zu berücksichtigen sein kann, ob dem Entstehen des Irrtums durch das Anbringen einer den Richtlinien besser entsprechenden Beschilderung durch die zuständige Behörde problemlos entgegengewirkt hätte werden können.
Wird der Irrtum, wie hier, durch eine Häufung von drei Verkehrszeichen an einem Pfosten ausgelöst, bei der das zuoberst angebrachte Vorschriftszeichen keinen schon auf den ersten Blick erheblich größeren Abstand zu dem unter ihm angebrachten Vorschriftszeichen aufweist als das Zusatzschild zu dem unmittelbar über ihm angebrachten Vorschriftszeichen, so ist der Irrtum nicht fern liegend. Die begrenzte Wirkung des Zusatzschildes auf das über ihm angebrachte Vorschriftszeichen ist dann nicht aus dem unmittelbaren Eindruck, den die Beschilderung einem im Verkehrsfluss befindlichen Kraftfahrer, der seine Aufmerksamkeit regelmäßig nicht auf Verkehrsschilderhäufungen beschränken kann, zu erschließen, sondern erst aus der Kenntnis der richtigen Auslegung des 39 Abs. 2 Satz 4 StVO. Hinzu kommt, dass die Gefahr einer Fehlauffassung der Zuordnung des Zusatzschildes im Bereich der verfahrensgegenständlichen Messung dadurch erhöht worden war, dass sich die zuerst zu passierende Schilderkombination (Zeichen 101 und Zeichen 274) unmissverständlich an alle Verkehrsteilnehmer wandte, die beiden folgenden Schilderpaare aber bezüglich Überholverbot (Zeichen 276) und Geschwindigkeitsbeschränkung (Zeichen 274) für einen Teil des fließenden Verkehrs differenzierten.
Dass die Befürchtung einer aus einer Häufung von Verkehrszeichen resultierenden Fehlauffassung durchaus nahe liegt, zeigen bereits die zu den 39 bis 43 StVO ("Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen") ergangenen Richtlinien deutlich auf. So ist in III Nr. 11 Satz 1 dieser Richtlinien bestimmt: "Weil die Bedeutung von Verkehrszeichen bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit zweifelsfrei erfassbar sein muss, sind Häufungen von Verkehrszeichen zu vermeiden". Zwar wird die Anbringung von bis zu drei Verkehrszeichen am gleichen Pfosten, wie oben schon angesprochen, durch die Richtlinie (dort: III Nr. 11 a) nicht ausgeschlossen, doch ist, wie dem Sinn und Zweck von III Nr. 11 a cc der genannten Richtlinie zu entnehmen ist, gerade bei Kombinationen von mehreren Vorschriftszeichen (hier: Zeichen 274 und Zeichen 276), die sich an unterschiedliche Gruppen von Verkehrsteilnehmern wenden, Sorge dafür zu tragen, dass durch das Anbringen eines Zusatzschildes keine (nicht fern liegenden) Fehlvorstellungen bei den Verkehrsteilnehmern hervorgerufen werden.
Letzteres hätte an der gegenständlichen Gefahrenstelle am einfachsten und deutlichsten durch Trennung des durch das Zusatzschild eingeschränkten Überholverbotes (Zeichen 276) von dem Zeichen 274 durch Anbringen an unterschiedlichen Pfosten geschehen können. So hätte es sich etwa angeboten, das mit dem Zusatzschild eingeschränkte allgemeine Überholverbot (Zeichen 276) an einem Pfosten schon deutlich vor den Geschwindigkeitslimitierungen (Zeichen 274) zu situieren. Schon diese Möglichkeit zeigt, dass die Häufung der Verkehrszeichen keineswegs "unvermeidlich" (III Nr. 11 Satz 3 der Richtlinien) gewesen ist. Die Vermeidung wäre im Übrigen bereits deshalb geboten gewesen, weil aus den im Bereich solcher Beschilderungen sehr oft festzustellenden ungewöhnlich hohen Geschwindigkeitsüberschreitungen auf immer wieder eintretende Fehlauffassungen der Beschilderung geschlossen werden muss, die zu erheblichen Geschwindigkeitsdifferenzen beim Pkw-Verkehr führen und so ein zusätzliches Gefährdungspotenzial mit sich bringen.
Die aufgezeigten Umstände, die sich sämtlich aus den vom Amtsgericht umfassend zur Tat im objektiven und subjektiven Sinne getroffenen Feststellungen erschließen, führen zu dem Ergebnis, dass dem Betroffenen bezüglich des Verstoßes gegen die Geschwindigkeitslimitierung auf 80 km/h und 60 km/h eine "grobe" (oder "beharrliche") Pflichtverletzung im Sinne des 25 Abs. 1 Satz 1 StVG nicht anzulasten ist.
Der Verstoß gegen die Geschwindigkeitslimitierung auf
100 km/h war nicht so gravierend, dass er für sich allein zur Verhängung eines Fahrverbots führen würde.
Trotz Vorliegens eines "Regelfalles" ist nach alldem - ausnahmsweise - ein Fahrverbot nicht zu verhängen.
3. a) Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch und gegen die Verhängung der Regelgeldbuße wendet, ist sie als unbegründet zu verwerfen.
Soweit die Rechtsbeschwerde das Fahrverbot betrifft, ist das angefochtene Urteil abzuändern. Eine Zurückverweisung zu neuer Entscheidung über die Frage des Fahrverbots ist nicht veranlasst, da der Senat hierüber selbst entscheiden kann ( 79 Abs. 6 OWiG).
b) Die Kostenentscheidung beruht auf 473 Abs. 4 StPO i.V.m. 46 Abs. 1 OWiG.
Urteil 24
Zum Verhältnis von Fahrverbot und gefährdeter wirtschaftlicher Existenz.
OLG Brandenburg
Az.: 2 Ss (OWi) 126 B/02
Beschluss vom: 13.03.2003
In dem Bußgeldverfahren wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit,
hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Senat für Bußgeldsachen am 13. März 2003 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 24. April 2002 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bad Liebenwerda zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht setzte gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 500,00 € fest. Nach den Feststellungen fuhr der Betroffene am 15. August 2001 mit einem Pkw auf der Bundesstraße ... in der Ortschaft H... mit einer Geschwindigkeit von 93 km/h, obwohl dort nur eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zugelassen war. Obwohl somit nach 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV die Verhängung eines Fahrverbots von einem Monat indiziert war, sah das Amtsgericht mit folgender Begründung davon ab: "Ein Fahrverbot würde jedoch die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen vernichten und mithin gegen das Übermaßverbot verstoßen. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin des Betroffenen, der Zeuge Ha..., hat nämlich bekundet, er würde dem Betroffenen kündigen, wenn ein Fahrverbot gegen ihn verhängt würde. Der ständige Besitz einer Fahrerlaubnis sei Inhalt des Arbeitsvertrages mit dem Betroffenen und schon aus Gründen der Gleichbehandlung sei er gezwungen, dem Betroffenen, wie auch allen anderen Angestellten, im Falle eines Fahrverbots zu kündigen. Er sei auch nicht bereit, dem Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, das Fahrverbot in die Zeit eines Urlaubs zu legen. Auch werde er nicht gestatten, dass der Betroffene sich mit dem Firmenfahrzeug von anderen fahren lasse." (UA Seite 3).
Der Betroffene ist nach den Feststellungen Vertriebsleiter eines Wärmemessdienstes für die gesamten neuen Bundesländer; er ist bereits mehrfach im Verkehrszentralregister eingetragen. Zuletzt wurde mit Bescheid vom 29. Juni 2001 - rechtskräftig seit dem 19. Juli 2001 - wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h eine Geldbuße von 300,00 DM festgesetzt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat und mit der sie sich dagegen wendet, dass das Amtsgericht kein Fahrverbot gegen den Betroffenen angeordnet, hat.
II.
Das Rechtsmittel ist begründet. Die Entscheidung des Amtsgerichts, von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, wird von den Feststellungen nicht getragen.
1. Ist - wie hier (Nr. 11.3.7 der Tabelle 1 im Anhang zur Bußgeldkatalogverordnung) - ein Tatbestand erfüllt, bei dem ein Fahrverbot nach 4 Abs. 1 oder 2 BKatV in der Regel in Betracht kommt, sieht aber das Amtsgericht gleichwohl davon ab, weil dem Betroffenen eine Kündigung drohe und das Fahrverbot deshalb mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar sei, so ist es zwar nicht erforderlich, dass das Amtsgericht überprüft, ob die angedrohte Kündigung arbeitsrechtlich auch durchsetzbar wäre; denn eine Härte, die es rechtfertigt, von einem - nach der Bußgeldkatalogverordnung indizierten - Fahrverbot abzusehen, kann schon darin bestehen, dass der Betroffene das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes zu tragen hat. Es reicht danach bereits die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes, um ein Fahrverbot als unverhältnismäßige Härte bewerten zu können (vgl. OLG Celle NStZ-RR 1996, 182). Doch dies bedeutet nicht, dass der Amtsrichter seiner Entscheidung, kein (indiziertes) Fahrverbot zu verhängen, jede Kündigungsdrohung zu Grunde legen darf, ohne zu prüfen, ob sie rechtlichen Bestand hätte, falls sie verwirklicht wird. Ist es offensichtlich, dass die angedrohte Kündigung rechtswidrig wäre, darf er nicht wegen dieser Drohung auf ein Fahrverbot verzichten. Denn bei einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung trägt der Betroffene, gegen den trotz Kündigungsdrohung ein Fahrverbot verhängt wird, in Wirklichkeit kein Risiko des Arbeitsplatzverlustes oder aber dieses Risiko ist so gering, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Diese Grundsätze hat das Amtsgericht nicht beachtet, indem es seinen Verzicht auf ein Fahrverbot auch auf die Feststellung stützt, der Arbeitgeber sei nicht bereit, dem Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, das Fahrverbot in die Zeit eines Urlaubs zu legen. Die Kündigung des Betroffenen mit der Begründung, er habe von der rechtlichen Möglichkeit des 25 Abs. 2 a StVG Gebrauch gemacht und das Fahrverbot in seine Urlaubszeit verlegt, wäre offenbar rechtswidrig. Nur in Ausnahmefällen erscheint es denkbar, dass sich ein Arbeitnehmer wirksam dazu verpflichtet, auf seine Fahrerlaubnis während seines Urlaubs nicht zu verzichten, so dass ein Kündigungsgrund bestehen könnte, falls er von der Möglichkeit des 25 Abs. 2 a StVG Gebrauch macht. Für solch eine Ausnahmesituation ergeben die Feststellungen keine Anhaltspunkte.
Entsprechendes würde im Übrigen gelten, wenn die Feststellungen so zu verstehen sind, dass sich der Arbeitgeber nur deshalb weigern würde, dem Betroffenen einen zusammenhängenden Urlaub zu gewähren, um ihm die Möglichkeit zu nehmen, in diese Urlaubszeit das Fahrverbot zu legen. Solch eine Weigerung wäre offensichtlich rechtswidrig.
2. Das Amtsgericht hat, worauf die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht hinweist, bei seiner Entscheidung über das Fahrverbot nicht berücksichtigt, dass dem Betroffenen nicht nur eine grobe, sondern - auf Grund der letzten Voreintragung in dem Verkehrszentralregister - auch eine beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers ( 25 Abs. 1 StVG) vorzuwerfen ist. Ein Regelfahrverbot, das für den Betroffenen eine außergewöhnliche Härte bedeutet, kann nämlich dadurch gerechtfertigt sein, dass ihm eine ungewöhnliche Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen ist (vgl. die Senatsentscheidung vom 20. März 1996 - 2 Ss (OWi) 19 B/96 -, Bbg.JMBl. 1996, 59).
Urteil 25
Wann ist ein Regelfahrverbot bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung anzunehmen?
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
Az.: 2 Ws 232/01 OWiG
BESCHLUSS vom 03.07.2001
In der Bußgeldsache wegen Zuwiderhandlung gegen die StVO hat das Oberlandesgericht - Senat für Bußgeldsachen Frankfurt am Main auf die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 22.2.2001 am 3.7.2001 gem. 79 Abs. 1 u. 2, Abs. 5 u. 6, 46 OWiG beschlossen:
Das Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße von 200,00 DM festgesetzt. Ihm wird außerdem verboten, für die Dauer eines Monats Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.
Das gegen den Betroffenen verhängte Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelang spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Rechtskraft dieses Beschlusses (4.7.2001). Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und seine, notwendigen Auslagen zu tragen. Zusätzlich angewendete Vorschrift: 25 StVG.
Gründe:
Das Amtsgericht Frankfurt a.M. verurteilte den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 36 km/h, begangen am 10.3.2000 um 22.29 Uhr auf der... in ... durch Urteil, vom 22.2.2001 zu einer Geldbuße in Höhe von 300,- DM. Von der Verhängung eines Fahrverbots sah es ab. Hiergegen richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht ist dem Rechtsmittel beigetreten.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen reichen für eine Beurteilung der Rechtsfolgenentscheidung grundsätzlich aus und stehen demzufolge bindend fest. Wegen der Wechselwirkung zwischen der Höhe der Geldbuße und dem Fahrverbot wird allerdings der Rechtsfolgenausspruch von der Rechtsbeschwerde in vollem Umfang erfasst.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Urteil war auf die erhobene Sachrüge hin im Rechtsfolgenausspruch zu ändern. Gegen den Betroffenen war neben der Regelgeldbuße von 200,- DM ein Fahrverbot von einem Monat Dauer zu verhängen.
Nach den aufgrund der Beschränkung des Rechtsmittels in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen des Amtsgerichts handelt es sich bei der dem Betroffenen angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitung um 36 km/h innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um einen Regelfall nach 2 Abs. 1 Nr. BKatV in Verbindung mit Nr. 5.3.3 der Tabelle 1 des Anhangs zur BKatV, der einen groben Verstoß im Sinne von 24 Abs. 1 S. 1 StVG indiziert und grundsätzlich die Verhängung eines Fahrverbots zur Folge hat. Bei Vorliegen eines derartigen Regelfalles ist nur noch in Einzelfällen, in denen der Sachverhalt ausnahmsweise zugunsten des Täters erheblich vom Normalfall abweicht, zu prüfen, ob der notwendige Warneffekt auch ohne Verhängung eines Fahrverbots durch Erhöhung der Geldbuße erreicht werden kann (vgl. BGH, NJW 1992,446; OLG Frankfurt a.M. - 2 Ws (B) 282/99 OwiG -; - 2Ws(B)293/99 OWiG -; -2Ws (B) 94/01 OWiG-;OLGDüsseldorf, DAR 1991, 111 f; OLG Gelle, NZV 1991, 199; OLG Stuttgart, VRS 80, 383). Hierbei ist insbesondere die berufliche Situation des Betroffenen von Bedeutung. Insofern kann ein relevanter Ausnahmefall dann gegeben sein, wenn das Fahrverbot zu einer, beruflichen Härte ganz außergewöhnlicher Art wie dem Existenzverlust eines Selbständigen oder dem Verlust des Arbeitsplatzes bei einem Arbeitnehmer führen würde (vgl. OLG Frankfurt a.M. - 2 Ws (B) 377/98 OWiG -; 2 Ws (B) 555/98 OWiG 2 Ws(B) 485/99 OWiG 2 Ws (B) 92/00 OWiG 2 Ws (B) 128/01 OwiG.
Der vom Amtsgericht festgestellte Sachverhalt rechtfertigt die Annahme eines Ausnahmefalles und damit das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nicht. Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, - das Absehen von einem Fahrverbot sei schon dadurch gerechtfertigt, daß für den nicht vorbelasteten Betroffenen aufgrund seiner Erkrankung und der damit verbundenen Notwendigkeit, den Beutel des künstlichen Darmausgangs oftmals innerhalb kürzester Zeit zu entlüften oder auch auszuwechseln, die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln mit über den Regelfall erheblich hinausgehenden Belastungen verbunden sei. Zudem sei ihm für die Dauer eines Fahrverbots die Ausübung seiner Berufstätigkeit als Netzwerkbetreuer, bei der er häufig beim Kunden arbeite und somit viel unterwegs sei, ausgeschlossen.
Der Betroffene hat in seiner Stellungnahme vom 22.5.2001 zu der Begründung der Rechtsbeschwerde durch die Amtsanwaltschaft jedoch selbst vortragen lassen, daß er Langzeitarbeitsloser sei. Er erhalte bisher wegen des drohenden einmonatigen Fahrverbots erst gar keinen Arbeitsplatz. Dies hat aber zur Folge, daß die seitens des Amtsgerichts vorausgesetzten beruflichen Nachteile für den Betroffenen gar nicht bestehen. Der Betroffene kann das gegen ihn verhängte Fahrverbot auch trotz der Regelung in 25 Abs. 2a StVG direkt nach Rechtskraft der Entscheidung wirksam werden lassen, so daß es bei Antritt einer neuen Arbeitsstelle bereits abgelaufen wäre. Damit verbleiben allein die im privaten Bereich infolge eines Fahrverbots entstehenden Einschränkungen. Diese sind für den Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit noch zumutbar. Hierbei ist allerdings davon auszugehen, daß dem Betroffenen andere Personen, die ihn chauffieren könnten, nicht zur Verfügung stehen. Auch bleibt es bei der Beurteilung, daß es sich bei den für den Betroffenen eintretenden Erschwernissen und Unbequemlichkeiten nicht nur um solche handelt, die grundsätzlich auch für jeden anderen mit der Verhängung eines Fahrverbots verbunden sind, sondern daß diese ihn erheblich stärker treffen. Trotz dieser Umstände sind die lediglich den privaten Bereich des im Stadtgebiet Frankfurt a.M. wohnenden Betroffenen berührenden Einschränkungen aber noch nicht unzumutbar. Bei unerlässlichen Fahrten kann er gegebenenfalls jeweils ein Taxi in Anspruch nehmen. Dadurch ist er auch nicht gezwungen, mehr als 5 kg zu tragen, was ihm seine Erkrankung nicht gestattet. Entstehende finanzielle Einbußen muß der Betroffene dabei hinnehmen. Sie bewegen sich im Hinblick auf die verhältnismäßig kurze Dauer des Fahrverbots von einem Monat in überschaubaren Grenzen.
Daß der Betroffene nicht vorbelastet ist, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Die BKatV nebst Anhang geht grundsätzlich von einem nicht vorbelasteten Verkehrsteilnehmer aus. Das Amtsgericht hat ferner berücksichtigt, daß es sich um ein Augenblicksversagen handele, da der Betroffene nach seinen Angaben eine erst kurz zuvor durch Entfernung von Verkehrsschildern erfolgte Änderung der Geschwindigkeitsbegrenzung übersehen habe. Die Begründung des Amtsgerichts ist jedoch nicht tragfähig;
es hat ersichtlich lediglich die Angaben des Betroffenen zu der angeblichen Aufhebung einer zuvor angeordneten höheren zulässigen Höchstgeschwindigkeit übernommen, ohne diese zu überprüfen. Zudem hätte der Betroffene nach seinem Vorbringen nicht ein die Geschwindigkeit beschränkendes Schild übersehen, sondern die innerorts grundsätzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht eingehalten was nicht den Tatbestand eines Augenblickversagens erfüllt.
Einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht bedarf es nicht, da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind. Der Senat ist damit in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden ( 79 Abs. 6 OWiG) und die bei einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung von 36 km/h innerhalb einer - geschlossenen Ortschaft vorgesehenen Regelsanktionen, nämlich eine Geldbuße von 200,- DM sowie ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats zu verhängen.
Der Betroffene hat die Kosten des für ihn nachteilig entschiedenen Rechtsmittels einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen ( 465 StPO analog).
Urteil 26
Fahrverbot für Arzt- Absehen vom Regelfahrverbot nicht rechtmäßig.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
Az.: 2 Ws (B) 94/01 OWiG 961. OWi
BESCHLUSS vom 14.03.2001
In der Bußgeldsache wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - Senat für Bußgeldsachen -auf die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 21. November 2000 am 14. März 2001 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße von 200,- DM verhängt. Ihm wird ferner untersagt, für die Dauer eines Monats Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.
Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Rechtskraft dieses Beschlusses (15. März 2000).
Der Betroffene hat die Kosten der Rechtsbeschwerde einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen.
Zusätzlich angewendete Vorschrift: 25 StVG.
Gründe
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 400,- DM festgesetzt. Die Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main rügt mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde die Nichtverhängung eines Fahrverbots. Das von der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main nicht vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach den Feststellungen hat der Betroffene als Führer des PKW F-... am 21. Juli 2000 um 22.46 Uhr auf der A. in F. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h unter Berücksichtigung einer Meßtoleranz von 3 km/h um 32 km/h überschritten. Den Verzicht auf die Anordnung eines Fahrverbots unter Erhöhung der Geldbuße hat das Amtsgericht im wesentlichen wie folgt begründet:
"Der Betroffene hat sich wie folgt eingelassen:
Er sei Lungenarzt, der Patient G. G. sei seit 12 Jahren in seiner ärztlichen Behandlung, leide unter Asthma, Er - Betroffener - müsse öfter Hausbesuche machen. An dem Tage, einen Freitag, sei er in der R.allee gewesen. Das Handy habe geklingelt, die Frau des Patienten G. habe angerufen: Ihrem Mann gehe es sehr schlecht, er bekomme schlecht Luft, habe einen Asthmaanfall. Er - Betroffener -sei von der R.allee sofort losgefahren, in Eile, es sei alles frei gewesen, er haben niemanden gefährdet. Gegen 23.00 Uhr sei er bei dem Patienten gewesen, habe ihm ein Mittel gespritzt. Der -Patient sei ein schwerkranker Mann, -er - Betroffener - habe es als seine Pflicht angesehen, dem Patienten in der Not zu helfen. Er habe immer seinen Arztkoffer dabei. Einen Notarztwagen habe er nicht gerufen, da er den Patienten seit langer Zeit kenne und wisse, worauf es ankomme. Er habe dem Patienten mehrere Spritzen gegeben, habe schnell bei ihm sein wollen. Er sei auf das Auto angewiesen, weil er als Arzt oft Hausbesuche machen müsse.
Die Rechtsfolgen ergeben sich aus 24,25 StVG in Verbindung mit 1,2 BKatV in Verbindung mit Nummer 5.3 des Bußgeldkataloges in Verbindung mit der in Bezug genommenen Tabelle la, Buchstabe c), laufende Nr. 5.3.3. Geldbuße in Höhe von 200,- DM, zusätzlich das einmonatige Fahrverbot.
Gegen den Betroffenen wurde die angemessene Geldbuße in Höhe von 400,- DM festgesetzt ( 2 Abs.4 BKatV).
Das Fahrverbot mußte selbstverständlich in Wegfall kommen, der Betroffene handelte in einer notstandsähnlichen Situation, angesichts der von dem Betroffenen und seinem Patienten glaubhaft geschilderten Umstände kann dem Betroffenen keineswegs der Vorwurf der "groben oder beharrlichen Verletzung der. Pflichten eines, Kraftfahrzeugführers", gemacht werden."
Die nach 79 Abs.1 Nr.3 OWiG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und ebenso, begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Rechtsbeschwerde ist der Schuldspruch rechtskräftig. Wegen der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot wird der Rechtsfolgenausspruch von der Rechtsbeschwerde allerdings in vollem Umfang erfaßt. Der Rechtsfolgenausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend geht das Amtsgerichts zunächst davon aus, daß die in 2 Abs.1 Nr.1 BKatV i.V.m. Nr. 5.3.3. der Tabelle 1 c des Anhangs umschriebenen Voraussetzungen für die Anordnung eines sog. Regelfahrverbots gegeben sind. Die Erfüllung dieses Tatbestands indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von 25 Abs.l S.1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, daß es regelmäßig er Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf (vg l. BGHSt38,125,134). Die Regelungen des 2 Abs, 1,2 BKatV sind verfasssungsgemäß (vgl. BVerfG NJW 1996,1809).
2. Die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall von dem Fahrverbot sind nach dem festgestellten Sachverhalt nicht gegeben.
a) Eine Minderung des sog. Erfolgsunwerts liegt nicht vor. Die Überschreitung der vorgegebenen Grenzwerte indiziert in objektiver Hinsicht die gesteigerte Gefährlichkeit des Verhaltens für die übrigen Verkehrsteilnehmer. Diese Vermutungswirkung kann nur durch konkrete Feststellungen widerlegt werden. Das ist nicht der Fall. Die nicht sub-stantiierte Einlassung des Betroffenen, "es sei alles frei gewesen, er habe niemanden gefährdet", ist dafür nicht ausreichend (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 1999,477).
b) Der sog. Handlungsunwert ist ebenfalls nicht gemindert. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts handelte der Betroffene nicht unter notstandsähnlichen Umständen.
Offensichtlich ist der Betroffene - der den Patienten nach seiner Einlassung seit langer Zeit kannte - selbst nicht von einem Notfall ausgegangen, bei dem es auf jede Sekunde angekommen wäre, da er sonst den Rettungsdienst informiert hätte. Nur ein Rettungsfahrzeug hat nämlich die medizinische Ausstattung, die eine möglichst umfassende Versorgung des Patienten vor Ort ermöglicht. Außerdem stehen dem Rettungsdienst
nach 35 Abs. 5a StVO Sonderrechte im Straßenverkehr zur Verfügung, die ein schnelles Erreichen des Patienten und eventuell dessen Verbringung in ein Krankenhaus gewährleisten. Das muß dem Betroffenen als Arzt ohne weiteres klar gewesen sein. Gleichwohl hat er sich nach seiner Einlassung - nur mit einem Arztkoffer und ohne Sondersignal -bewußt und damit vorsätzlich über die Geschwindigkeitsbegrenzung hinweggesetzt und eine Gefahrensituation für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen, die mit einer so hohen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht, zu rechnen brauchten, so daß Fehleinschätzungen und -reaktionen mit der Gefahr schwerer Unfälle nahelagen. Auch das konnte der Betroffene unschwer erkennen. Ihn trifft deshalb jenes gesteigerte Unwerturteil, das regelmäßig die Verhängung der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots erfordert.
c) Schließlich kann auch nicht unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit von der Anordnung eines Fahrverbots abgesehen werden. Das wäre möglich, wenn das Fahrverbot zu einer Härte ganz außergewöhnlicher Art, z.B. zum Verlust des Arbeitsplatzes bei einem Arbeitnehmer oder zum Existenzverlust bei einem Selbständigen führen würde. Berufliche Nachteile auch schwerwiegender Art sind jedoch grundsätzlich hinzunehmen. Nach der Neuregelung in 25 Abs. 2a. StVG, wonach ein verhängtes Fahrverbot maximal 4 Monate aufgeschoben werden kann, ist bei der Frage, ob und inwieweit wirtschaftliche Nachteile für die Beurteilung der Angemessenheit und Vertretbarkeit eines Fahrverbots überhaupt von Bedeutung, sind, ein noch strengerer Maßstab als in der Vergangenheit anzulegen. Einem Betroffenen ist deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 10. Januar 2001 - 2 Ws (B) 4/OI OWiG m.w.N.) grundsätzlich zuzumuten, durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen die Zeit des Fahrverbots zu überbrücken, zum Beispiel durch Inanspruchnahme von Urlaub, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Inanspruchnahme einer Fahrgemeinschaft, Anstellen eines bezahlten Fahrers usw. Die hierdurch auftretenden finanziellen Belastungen hat der Betroffenen hinzunehmen, notfalls durch Aufnahme eines Kredits. Im Hinblick auf die verhältnismäßig kurze Dauer des Fahrverbots von einem Monat bewegen sich eventuelle finanzielle Belastungen ohnehin in einem überschaubaren und grundsätzlich zumutbaren Rahmen.
Ein solcher Ausnahmefall ist nach den Feststellungen des Amtsgerichts hier nicht gegeben Der Senat verkennt nicht, daß der Betroffene als Arzt zwar grundsätzlich auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist. Wenn er die Dauer des Fahrverbots nicht durch Urlaub überbrücken kann, muß er aber einen Fahrer anstellen oder sich eines Taxis bedienen. Die daraus resultierenden finanziellen Belastungen hat er hinzunehmen.
IV.
Es ist nicht ersichtlich, daß weitere erhebliche Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch getroffen werden könnten. Der Senat kann deshalb gemäß 79 Abs.6 -OWiG in der Sache selbst entscheiden und die Regelsanktionen von einer Geldbuße in Höhe von 200,-- DM sowie einem Fahrverbot von einem Monat verhängen.
Der Betroffene hat die Kosten des für ihn nachteilig entschiedenen Rechtsmittels einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen ( 465 StPO).
Urteil 27
Geschwindigkeitsbeschränkung übersehen.
OLG Karlsruhe
Az.: 1 Ss 167/02
Beschluss vom: 17.02.2003
Der 1. Senat des OLG Karlsruhe hat am 17.02.2003 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts K. vom 27. September 2002 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.
G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 60 Euro verurteilt und ihr gleichzeitig für die Dauer von einem Monat untersagt, Kraftfahrzeuge jeglicher Art im Straßenverkehr zu führen. Nach den Feststellungen hatte sie am 27.02.2002 gegen 11.58 in Karlsruhe die Kaiserstraße vom Durlacher Tor kommend in Richtung W-Straße mit einer Geschwindigkeit von 59 km/h befahren und dabei die dort angebrachte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h missachtet.
Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit welcher sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und den Wegfall des verhängten Fahrverbots anstrebt.
II.
Der Rechtsbeschwerde bleibt ein Erfolg versagt.
1. Der Schuldspruch wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung nach 41 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG ist vorliegend in Rechtskraft erwachsen, da das Rechtsmittel wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist. Zwar hat der Verteidiger eine solche Begrenzung nicht ausdrücklich erklärt, jedoch ergibt sich dies aus der Begründung der Rechtsbeschwerde zweifelsfrei (vgl. BGH NJW 1956, 756 f.; LR-Hanack, StPO, 25. Aufl. 1999, 344 Rn. 9; die Entscheidung OLG Köln VRS 101, 218 ff. betrifft eine andere Fallgestaltung). Diese wendet sich nur gegen das Fahrverbot, in dessen Verhängung sie eine unzumutbare Härte für die Betroffene sieht. Dass der Schuldspruch selbst nicht der Anfechtung unterliegen soll, ergibt sich auch daraus, dass die Betroffene die ihr vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung vor dem Amtsgericht nicht in Abrede gestellt und der Verteidiger in seinem Schlusswort auf die Verhängung einer erhöhten Geldbuße unter Wegfall des Fahrverbot angetragen hat.
Das Rechtsmittel erfasst gleichwohl den gesamten Rechtsfolgenausspruch, da zwischen der Höhe der Geldbuße und der Anordnung des Fahrverbots eine Wechselwirkung besteht, die eine Beschränkung der Rechtsbeschwerde innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs allein auf die Verhängung des Fahrverbots ausschließt (BGHSt 24, 11 ff.; OLG Karlsruhe NZV 1996, 206 f.; VRS 97, 198 f.).
2. Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und deshalb bereits unzulässig.
3. Auch die aufgrund der erhobenen Sachrüge erfolgte Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben. Insbesondere ist das vom Amtsgericht verhängte Fahrverbot - die Geldbuße entspricht dem Regelfall nach Nr.11.3.5 BKat - im Ergebnis nicht zu beanstanden, da gegen die Betroffene innerhalb der Frist eines Jahres vor seit der Entscheidung des Amtsgerichts, nämlich am 29.05.2001, wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um mindestens 26 km/h eine seit 05.07.2001 rechtskräftige Geldbuße festgesetzt worden war und sie nunmehr erneut eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begangen hat, was als Regelfall nach 4 Abs. 2 S. 2 BKatV einen beharrlichen Pflichtverstoß i.S.d. 25 Abs. 1 S.1 StVG indiziert, der regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf (BGH NZV 1992, 117, 119; BayObLG NZV 1994, 327; OLG Köln NStZ-RR 1996, 52; OLG Karlsruhe VRS 88, 476).
a. Allerdings hat das Amtsgericht die Einlassung der Betroffenen, sie habe das die Geschwindigkeit beschränkende Verkehrsschild übersehen, weil sie als in Karlsruhe Ortsfremde verstärkt auf Straßenschilder habe achten müssen und durch ein die Straßenbahnschienen verbotswidrig benutzendes Fahrzeug abgelenkt worden sei, in den Urteilsgründen hingenommen, ohne die Glaubwürdigkeit dieser Angaben zu hinterfragen und sich damit auseinander zu setzen. Eine solche nähere Befassung ist aber immer dann geboten, wenn ein Betroffener besondere Umstände geltend macht, welche gegen die Annahme sprechen, das Verkehrsschild sei aufgrund grober Nachlässigkeit übersehen worden. Zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Einlassung der mangelnden Wahrnehmung eines Verkehrszeichens kann es dabei insbesondere auf die konkrete Aufstellung der Beschilderung und die baulichen Verhältnisse der befahrenen Straße ankommen, da sich oftmals einem pflichtbewussten Fahrer die angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung geradezu aufdrängen muss (Senat, Beschluss vom 27.03.2001, 1 Ss 29/01; OLG Karlsruhe DAR 1998, 153; BayObLG NZV 1999, 4 ff.; OLG Naumburg ZfSch 2000, 318 f; Thüringer OLG OLG-NL 1995, 189; OLG Hamm DAR 1999, 327; OLG Rostock DAR 1999, 277 f.).
b. Beruht ein Verkehrsverstoß aber lediglich auf einer augenblicklichen Unaufmerksamkeit, wie sie jeden sorgfältigen und pflichtbewussten Verkehrsteilnehmer einmal unterlaufen kann, so ist die Verhängung eines Fahrverbots nicht angezeigt, wenn der Verstoß nur auf einfacher Fahrlässigkeit beruht (grundlegend BGHSt 43, 241 ff.; OLG Köln VRS 97, 375: "einzelnes Verkehrszeichen am linken Fahrbahnrand"). In solchen Fällen des "Augenblicksversagens" indiziert zwar der in der BKatV beschriebene Regelfall (hier: 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV) das Vorliegen einer groben bzw. - wie hier - beharrlichen Pflichtverletzung i.S.d. 25 Abs.1 StVG, es fehlt jedoch an einer ausreichenden individuellen Vorwerfbarkeit. Ein Fahrverbot ist nämlich nur dann veranlasst, wenn der Verstoß auch subjektiv auf besonderes grobem Leichtsinn, Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit beruht und einen so hohen Grad an Verant-wortungslosigkeit aufweist, dass es zur Einwirkung auf d. Betroffenen grundsätzlich eines ausdrücklichen Denkzettels durch ein Fahrverbot bedarf (vgl. ausführlich OLG Karlsruhe VRS 100, 460 ff., 463). Auch bei einem beharrlichen Pflichtenverstoß i.S.d. 25 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV muss die Geschwindigkeitsüberschreitung auf einem Mangel an rechtstreuer Gesinnung beruhen (OLG Hamm NStZ-RR 1999, 374 ff.; OLG Braunschweig DAR 1999, 273 f.), woran es bei einem bloßen "Augenblicksversagen" in der Regel fehlen wird.
c. Dass sich das Amtsgericht mit diesen Fragen, insbesondere des Vorliegens eines Augenblicksversagens, nicht auseinandergesetzt hat, berührt den Bestand des Urteils ebenso wie die Wirksamkeit der Rechtsfolgenbeschränkung (vg. oben II. 1) nicht.
Auf nur "einfache Fahrlässigkeit" kann sich nämlich derjenige nicht berufen, welcher die an sich gebotene Aufmerksamkeit in grob pflichtwidriger Weise unterlassen hat (BGHSt 43, 241 ff.). Wer etwa während der Fahrt sein Autotelefon benutzt (KG, Beschluss vom 19.01.2000, 2 Ss 319/99), intensiv auf Wegweiser achtet (Senat VRS 98, 385 ff.) oder in einen Kreuzungsbereich zu schnell einfährt (BayObLG DAR 1999, 559 f.) kann nicht geltend machen, er habe nur versehentlich ein Verkehrszeichnen nicht wahrgenommen, denn durch sein vorheriges sorgfaltswidriges Verhalten hat er selbst in grob nachlässiger Weise zu seiner eigenen Unaufmerksamkeit beigetragen. Eine grob pflichtwidrige Missachtung der gebotenen Aufmerksamkeit liegt aber auch dann vor, wenn der Verkehrsteilnehmer nicht nur die durch Zeichen 274 angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, sondern auch die innerörtlich zulässige Geschwindigkeit von 50 km/h in erheblicher Weise überschreitet. In einem solchen Fall beruht der Verkehrsverstoß nicht auf einer augenblicklichen Unaufmerksamkeit, sondern auf der Nichtbeachtung weiterer Sorgfaltspflichten (OLG Köln DAR 2001, 469 f.).
So liegt der Fall auch hier, da die Betroffene die innerörtlich zulässige Geschwindigkeit mit gemessenen 59 km/h nicht eingehalten hat. Zwar deutet die Höhe der Überschreitung um 9 km/h nicht auf ein bewusstes und gewolltes Verhalten hin (so aber OLG Köln a.a.O.; vgl. auch krit. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Auflage 2003, StVG, 25 Rn. 23 m.w.N.), dies ist aber auch nicht erforderlich. Es genügt, wenn sich die Missachtung der gebotenen Aufmerksamkeit aus anderen Umständen ergibt. Von einer unerheblichen Überschreitung der an sich erlaubten innerstädtischen Geschwindigkeit kann bei einem Tempo von 59 km/h ohnehin nicht die Rede sein (ähnlich KG, Beschluss vom 26.07.2001, 2 Ss 305/00 "Überschreitung um 11 km/h"; vgl. auch Nr. 11.3.1 BKat, welcher hierfür ein Bußgeld von € 15 vorsieht), zumal - wie dem Senat von Amts wegen bekannt - die Fahrbahn zu Beginn der Kaiserstraße in Karlsruhe auf eine Fahrspur je Fahrtrichtung verengt ist, was an sich schon die Reduzierung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit nahe legt. Auch ist zu sehen, dass die Betroffene ihrer eigenen Einlassung zufolge ortsfremd war und deshalb ein besonders vorsichtiges Fahrverhalten angezeigt gewesen wäre. Schließlich zeigen die beiden einschlägigen Vorverurteilungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitung und die bereits einmal erfolgte vergebliche Einwirkung durch ein Fahrverbot, dass es die Betroffene mit der Einhaltung der Vorschriften im Straßenverkehr nicht so genau nimmt. Im Rahmen einer Gesamtabwägung ist der Senat daher der Ansicht, dass trotz des Zusammenwirkens entlastender Umstände (Wiederholungsfall nach 4 Abs 2 Satz 2 BKatV, Übersehen eines Verkehrszeichens, keine vorsätzliche Tat) die Anordnung eines Fahrverbots wegen der Beharrlichkeit der Pflichtverletzung angezeigt ist.
d. Es liegt auch kein Fall vor, in welchem ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, weil der Sachverhalt zu Gunsten der Betroffenen eine derart erhebliche Abweichung vom Normalfall aufweist, dass der notwendige Warneffekt auch ohne Verhängung eines Fahrverbots durch bloße Erhöhung der Geldbuße erreicht werden kann ( 4 Abs. 4 BKatV). Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann vorliegen, wenn das Fahrverbot zu einer beruflichen Härte ganz außergewöhnlicher Art wie dem Existenzverlust bei einem Selbständigen oder dem Verlust des Arbeitsplatzes bei einem Arbeitnehmer führen würde (OLG Franfurt NStZ-RR 2000, 313 f.;2001, 344 f.). Hiervon kann jedoch nicht ausgegangen werden.
Nach den getroffenen Feststellungen ist die Betroffene seit Januar 2002 als Außendienstmitarbeiterin tätig und vertreibt Finanzdienstleistungen. Räumlich ist sie für Süddeutschland, die Schweiz und Österreich zuständig, wobei sie wegen wahrzunehmenden Terminen auch in ländlichen Gebieten auf ihr Kraftfahrzeug (jährliche Fahrleistung 35.000 km) angewiesen ist und nicht auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen kann.
Diese Feststellungen rechtfertigen ein Absehen vom Fahrverbot jedoch nicht. Berufliche Folgen auch schwerwiegender Art reichen für die Annahme eines Ausnahmefalles nicht aus, da sie mit einem Fahrverbot sehr häufig verbunden sind. Der Betroffenen ist es daher grundsätzlich zuzumuten, diese Nachteile durch Inanspruchnahme von Urlaub, der vorrübergehenden Beschäftigung eines Fahrers oder der Kombination dieser Maßnahmen auszugleichen (OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 313). Auch wenn das Amtsgericht keine Feststellungen zu ihren Einkommensverhältnissen getroffen hat, bestehen vorliegend in Anbetracht der beruflichen Stellung der Betroffenen keine Bedenken an der zeitlich begrenzten Zumutbarkeit derartiger Ersatzmaßnahmen, ggf. muss ein Kredit aufgenommen werden.
Dass ein Verlust des Arbeitsplatzes allein wegen der Anordnung des Fahrverbots drohen würde (zu den hierfür notwendigen Feststellungen einer nachgewiesenen tatsächlichen Gefahr der Kündigung, vgl. OLG Koblenz NZV 1997, 48; OLG Celle NZV 1996, 182), hat das Amtsgericht nicht festgestellt und ist auch der Rechtsbeschwerde nicht zu entnehmen.
Bei dieser Sachlage hat das Amtsgericht zu Recht von der Möglichkeit der Erhöhung der Geldbuße unter Wegfall des Fahrverbots abgesehen. In Anbetracht von zwei einschlägigen Vorverurteilungen bedarf es vorliegend einer nachdrücklichen Einwirkung, um die Betroffene zukünftig zu verkehrsgerechten Verhalten zu veranlassen. Durch Bemessung der Dauer des Fahrverbots auf einen Monat hat das Amtsgericht dabei den persönlichen Umständen der Betroffenen ausreichend Rechnung getragen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf 473 StPO, 46 OWiG.
Urteil 28
Zum Umfang der Darlegungspflicht im Bußgeldverfahren bei einem sog. morphologischen Vergleichsgutachten, welches sich auf ein Beweisfoto einer Verkehrsüberwachungsanlage stützt.
Oberlandesgericht Celle
Az: 2 Ss 124/02
Beschluss vom 17.07.2002
Zum Umfang der Darlegungspflicht im Bußgeldverfahren bei einem sog. morphologischen Vergleichsgutachten, welches sich auf ein Beweisfoto einer Verkehrsüberwachungsanlage stützt.
In der Bußgeldsache wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 01. März 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 17. Juli 2002 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen 3 Abs. 3, 49 StVO, 24 StVG" (gemeint ist: fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung) zu einer "Geldbuße von 250,00 DM (127 €)" verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt, für dessen Wirksamwerden es eine Anordnung nach 25 Abs. 2 a StVG getroffen hat.
Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 22. März 2000 mit dem PKW Daimler Benz, mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 94 km/h und überschritt damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um vorwerfbare 41 km/h.
Von der Täterschaft des Betroffenen hat sich das Amtsgericht aufgrund der schlüssigen gutachterlichen Ausführungen eines Sachverständigen für anthropologische Vergleichsgutachten überzeugt, dessen Darlegungen von einer vergleichenden Augenscheinseinnahme des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen mit den Hochglanzradarfotos bestätigt worden seien.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat bereits mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen nicht bedarf; vorsorglich wird dazu auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 27. Juni 2002 verwiesen.
Die Urteilsgründe werden den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darlegung von Gutachten nicht gerecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer - wenn auch nur gedrängten - zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH NStZ 2000, 106, 107 m. w. N.).
Bei einem anthropologischen Vergleichsgutachten handelt es sich nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode (BGH aaO), bei welcher sich die Darstellung im wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken kann. Um dem Senat die Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens und seines Beweiswertes zu ermöglichen, bedurfte es hier weiterer über die Aufzählung der mit dem Foto übereinstimmenden morphologischen Merkmalsprägungen des Betroffenen hinausgehender Angaben.
Im Urteil fehlen Ausführungen, aufgrund welchen biostatistischen Vergleichsmaterials der Gutachter zu dem Ergebnis gelangt ist, bei fünfzehn übereinstimmenden Merkmalen sei mit hoher Beweiskraft festzustellen, dass der Betroffene mit dem abgelichteten Fahrzeugführer identisch ist. Es mag Merkmale geben, die bei einem hohen Anteil der Bevölkerung vorhanden sind, andere wiederum mögen äußerst selten sein. Dies hat zur Folge, dass dem Vorhandensein einzelner Merkmale eine höhere Beweisbedeutung zukommt als anderen. Hier fehlen jegliche Angaben dazu, welchen der festgestellten Übereinstimmungen - ggfs. in Kombination mit anderen festgestellten Merkmalen - eine besondere Beweisbedeutung zukommt. Darüber hinaus mangelt es der Aufzählung der morphologischen Merkmalsprägungen an Verständlichkeit. Der Senat vermag z. B. nicht nachzuvollziehen, was unter einer seitlich abgesetzten vorderen Kuppe des Nasenrückens oder einer Vorwölbung der Mundspalte am unteren Anteil zu verstehen ist.
Weiter beruht das Gutachten auf einer Auswertung von in Augenschein genommenen Hochglanzfotos (die im Übrigen keine Radarfotos sind, weil die Messung mit einer ESO-Anlage, also einem Lichtschranken-Messgerät, erfolgt ist). Je nach Qualität und Inhalt eines Bildes können sich ein Vergleich mit dem persönlich anwesenden Betroffenen und der Schluss auf seine Täterschaft von vornherein als schlechterdings unmöglich und willkürlich erweisen (vgl. BGHSt. 31,376, 382). Die Prüfung, ob das vom Tatrichter in Augenschein genommene und vom Gutachter ausgewertete Lichtbild für eine Überzeugungsbildung überhaupt ergiebig ist, obliegt dem Rechtsbeschwerdegericht. Daraus folgt, dass die Urteilsgründe entsprechend gefasst sein müssen. Entweder der Tatrichter erfüllt diese Forderung, indem er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt, was zur Folge hat, dass das Rechtsmittelgericht dann die Abbildung aus eigener Anschauung würdigen kann, oder aber der Tatrichter ermöglicht diese Überprüfung durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung des Fotos. In diesem Fall muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist. Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind dabei ebenfalls zu schildern (vgl. BGHSt. 41, 376 ff).
Auch diesen Anforderungen wird das allein die Aufzählung der fünfzehn morphologischen Merkmalsprägungen und den Hinweis, das Foto sei scharf genug, um die Merkmalserfassung nachzuvollziehen, enthaltende Urteil nicht gerecht. Es fehlt eine einen Gesamteindruck des Bildes vermittelnde Schilderung. Es bleibt offen, ob von der abgelichteten offenbar männlichen Person Einzelheiten - und gegebenenfalls welche - zur Einschätzung von Alter, Statur und Aussehen erkennbar sind. Es wird auch nicht mitgeteilt, ob es sich um ein Frontfoto oder eine Profilaufnahme handelt und es fehlen Angaben zur Kontrastschärfe und Belichtung des Bildes, sowie dazu, ob ein ungehinderter Blick auf die Person möglich ist.
Das Amtsgericht wird - im Falle einer Verurteilung - bei der neuen Entscheidung Gelegenheit haben, bei der Bemessung der Geldbuße entsprechend 4 Abs. 3 OWiG von den Regelsätzen der ab dem 01. Januar 2002 geltenden Bußgeldkatalogverordnung auszugehen, weil diese - wenn auch nur geringfügig - mildere Ahndungen vorsieht, als die vom Amtsgericht verwendete Fassung. Schließlich wird der Tenor des Urteils entsprechend 46 Abs. 1 OWiG, 260 Abs. 4 StPO zu fassen sein. Dazu gehört die rechtliche Bezeichnung der Tat in knapper Form; die Liste der angewendeten Vorschriften ist davon zu trennen; 46 Abs. 1 OWiG, 260 Abs. 5 StPO (vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. 260 Rnr. 19 ff).
Urteil 29
Geschwindigkeitsmessung durch Tachometervergleich grundsätzlich möglich.
OLG Frankfurt
Az.: 2 Ws (B) 291/01 OWiG
Beschluss vom 08.08.2001
In der Bußgeldsache hat das Oberlandesgericht - Senat für Bußgeldsachen - Frankfurt am Main auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gießen vom 21.03.2001 am 08. August 2001 gem. 46 I, 79 III OWiG, 349 II, 473 I StPO einstimmig beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Das gegen den Betroffenen verhängte Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Rechtskraft dieses Beschlusses (09.08.2001).
Gründe:
Das Amtsgericht Gießen verurteilte den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 46 km/h, begangen am 08.01.2000 um 2.28 Uhr in auf der Straße durch Urteil vom 21.03.2001 zu einer Geldbuße von 250,00 DM und einem Fahrverbot von einem Monat Dauer. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner am gleichen Tage eingelegten Rechtsbeschwerde, welche er nach Zustellung des Urteils am 29.05.2001 mit am 20.06.2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage begründete. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht begründet. Das Gericht hat den Beweisantrag des Betroffenen, ein Sachverständigengutachten zum Beweis dafür einzuholen, daß es nicht möglich sei, ein mit 50 km/h fahrendes Auto, welches mit 120 km/h überholt werde, bis zum Anhalten nachzufahren und bei gleichbleibendem Abstand die Meßstrecke von 300 m einzuhalten, rechtsfehlerfrei abgelehnt. Die beantragte Beweiserhebung war zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ( 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG).
Das Amtsgericht war nach Durchführung der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, der Sachverhalt sei geklärt. Nach dem hiernach festgestellten Sachverhalt hatte der Betroffene mit seinem PKW das von den Zeugen und geführte Fahrzeug zunächst mit höherer Geschwindigkeit überholt und die Geschwindigkeit sodann deutlich erhöht. Danach ist die Beweistatsache bereits unrichtig dargestellt. Im übrigen konnte das Gericht aufgrund der Gerichtsbekanntheit der Tatörtlichkeit, die durch die in Bezug genommenen Fotographien (Blatt 21-29 der Akte) nochmals belegt wurde, nach pflichtgemäßem Ermessen davon ausgehen, daß ein von den Polizeibeamten geschildertes Nachfahren ohne weiteres möglich war.
Das angefochtene Urteil hält auch auf die erhobene Sachrüge hin einer rechtlichen Überprüfung stand. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung hinsichtlich des Schuldspruchs und des Rechtsfolgenausspruchs. Die Geschwindigkeitsmessung durch Tachometervergleich aus einem nachfahrenden Polizeifahrzeug ist grundsätzlich als eine hinreichend zuverlässige Methode der Geschwindigkeitsmessung anerkannt. Die tatsächlichen Bedingungen, nach denen infolge der Möglichkeit von Fehlerquellen und ungenauer Ergebnisse bei diesem Verfahren der Vorwurf einer schuldhaften Geschwindigkeitsüberschreitung noch mit Sicherheit gerechtfertigt ist, sind nach den Feststellungen des Amtsgerichts noch gewährt (vgl. hierzu OLG Frankfurt am Main - 2 Ws (B) 684/93 OWiG -). Die Meßstrecke von mindestens 300 m war ausreichend lang. Der Abstand zwischen dem überprüften und dem nachfahrenden Fahrzeug war gleichbleibend. Zwar enthält das Urteil keine Feststellungen dazu, wie groß dieser Abstand war. Dies ist aber unschädlich. Maßgebend für die Zuverlässigkeit der Messung ist allein, daß der eingehaltene Abstand gleichbleibend war. Die Anforderung, der Abstand dürfe nicht zu groß sein, dienst lediglich dem Zweck, daß die Beurteilung der Länge des Abstands durch die Zeugen noch hinreichend sicher möglich sein muß. Dies war aber dadurch gewährleistet, daß nach den Feststellungen des Amtsgerichts der Zeuge an das Fahrzeug des Betroffenen "heranfuhr". Hiernach ist es ausgeschlossen, daß die Fahrzeuge einen für eine ausreichend zuverlässige Beurteilung zu großen Abstand einhielten. Daran, daß die Länge der angegebenen Meßstrecke von 300 bis 400 m zutreffend sein kann, da sich das ganze Geschehen auf einer Gesamtstrecke von ca. 1.300 m abspielte, bestehen keine ersichtlichen Zweifel. Ferner waren keine Feststellungen zu den Beleuchtungs- und Sichtverhältnissen zur Tatzeit erforderlich. Ausweislich der oben genannten Fotographien handelt es sich bei der Straße um eine innerörtliche Durchgangsstraße, bei der davon ausgegangen werden kann, daß sie durch die auf den Bildern erkennbaren Laternen auch während der Nachtstunden ausgeleuchtet ist.
Für weitere Ermittlungen bestand danach keine Veranlassung.
Der Sicherheitsabschlag von 20 % (= 24 km/h) von der ermittelten Geschwindigkeit von 120 km/h ist ausreichend. Überdies ist zu berücksichtigen, daß die angenommene Geschwindigkeit von 96 km/h immer noch 15 km/h über der Geschwindigkeit liegt, von der an die durch das Amtsgericht verhängten Rechtsfolgen nach der BKatV regelmäßig festzusetzen sind.
Die Beweiswürdigung hält auch im übrigen einer rechtlichen Überprüfung stand. Sie ist nachvollziehbar und frei von Lücken oder Widersprüchen. Das Ergebnis ist möglich, zwingend braucht es nicht zu sein.
Die verhängten Rechtsfolgen entsprechen den Regelsanktionen nach der BKatV. Anhaltspunkte, die ein Abweichen hiervon rechtfertigen könnten, sind weder ersichtlich noch geltend gemacht. Insbesondere für die Verhängung eines Fahrverbots für den Betroffenen nicht zu einer unzumutbaren Härte.
Der Betroffene hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen ( 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO).
Urteil 30
Verjährungsunterbrechung nicht durch erneute Anhörung oder Anfrage beim Verkehrszentralregister eingetreten.
KG Berlin
Az: 3 Ws (B) 484/02
Urteil vom: 06.11.2002
In der Bußgeldsache gegen wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin am 6. November 2002 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 18. Juni 2002 wird das Verfahren eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (Tatzeit: 14. Juli 2001) zu einer Geldbuße von 100, - EUR verurteilt, und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt zur Einstellung des Verfahrens.
I. Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, daß die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit durch Verjährung ausgeschlossen ist ( 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Die dreimonatige Frist der Verfolgungsverjährung ( 26 Abs. 3. StVG) war hier schon vor Erlaß des Bußgeldbescheides vom 25. Oktober 2001 abgelaufen, ohne daß zuvor während des Fristablaufs eine Unterbrechungshandlung nach 33 Abs. 1 OWiG vorgenommen worden wäre, die nach 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG zu einem Neubeginn der Frist zu einem ausreichenden späteren Zeitpunkt geführt hätte.
1. Soweit der Polizeipräsident in Berlin mit Schreiben vom 7. August 2001 dem Betroffenen mitgeteilt hat, gegen ihn werde ein Ermittlungsverfahren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung (wegen seines Verhaltens gegenüber den Polizeibeamten am Anschluß an die Geschwindigkeitsüberschreitung) geführt, und ihn deshalb zur Vernehmung vorgeladen hat, liegt darin zwar eine Unterbrechungshandlung nach 78 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, die hier aber über 33 Abs. 4 Satz 2 OWiG für die Verjährung nach 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG jedenfalls deshalb keine Wirkung entfalten konnte, weil eine Verjährungsunterbrechung nach dieser Vorschrift bereits dadurch erfolgt ist, daß dem Betroffenen am 14. Juli 2001 am Tatort unter Hinweis auf den Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung und sein Aussageverweigerungsrecht die Gelegenheit zur Äußerung eröffnet worden ist, was als eine die Verjährung unterbrechende Handlung gemäß 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG ausreichte (vgl. Göhler, OWiG 13.. Aufl., 33 Rdn. 7 m.N.). Damit waren alle alternativ angeführten Unterbrechungshandlungen dieser Vorschrift verbraucht (vgl. KG, Beschluß vom 3. September 1998 - 3 Ws (B) 497/98 -; Göhler, 33 Rdn. 6 a m.N.; Weiler in KK, OWiG 2. Aufl., 33 Rdn. 13 m.N.).
2. Zwar hat die Polizei im Bußgeldverfahren am 10. Oktober 2001 eine Anfrage, an das Verkehrszentralregister gemacht, die am 22. Oktober 2001 beantwortet worden ist, aber eine solche stellt keine gesetzlich bestimmte Anhörung im Sinne des 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 OWiG dar (vgl. OLG Stuttgart VRS 1994, 456; Göhler, 33 Rdn. 29), so daß eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung auch unter diesem Gesichtspunkt ausscheidet.
Der Senat stellt nach alledem das Verfahren nach 46 Abs. 1 OWiG, 206 a StPO ein.
II. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen beruht auf 46, Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO. Hinsichtlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen war für eine Ermessensentscheidung nach 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO kein Raum. Denn nach den Umständen des Falles ist es nicht unbillig, die Landeskasse insoweit zu belasten, da das Verfahrenshindernis erkennbar von Anfang an bestand (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl., 467 Rdn. 18 m.N.; Franke in KK, StPO 4. Aufl., 467 Rdn. 10 b m.N.) und ein vorwerfbares prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen, das eine Abweichung vom Regelfall des 467 Abs. 1 StPO rechtfertigen könnte (vgl. Franke a.a.O. m.N), nicht erkennbar ist.
Urteil 31
Zur Erkennbarkeit einer Tempo-30 Zone und zum Vorwurf der fahrlässigen Geschwindigkeitsübertretung.
Bayerisches Oberstes Landesgericht
Az: 2 ObOWi 551/03
Beschluss vom 22.10.2003
Der 2. Senat für Bußgeldsachen des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat in dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit am 22.Oktober 2003 einstimmig beschlossen:
I. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 27. Juni 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an das Amtsgericht Nürnberg zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht verurteilte die Betroffene "wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen 41 Abs.2 StPO nach 24 StVG" (zugrunde liegt der Vorwurf fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft bei Zeichen 274.1) zu einer Geldbuße von 120 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Die vom Amtsgericht bejahte gröbliche und beharrliche Pflichtverletzung liege nicht vor.
II.
Das gemäß 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat vorläufig Erfolg ( 353 Abs. 1 und 2, 354 Abs. 2 StPO i.V.m. 79 Abs. 3 OWiG).
1. Das Urteil enthält folgende Feststellungen und Ausführungen.
a) Zur Tat:
"Die Betroffene befuhr am 2.12.2002 gegen 17.51 Uhr die ... in ... in Richtung ... mit ihrem Pkw, Kennzeichen .... Die ... liegt in einer Tempo-30 Zone und aus Unachtsamkeit überschritt die Betroffene die zugelassene Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h. Bei gehöriger Sorgfalt und Beachtung ihres Tachometers hätte sie diesen Verstoß vermeiden können."
b) Zur Einlassung der Betroffenen:
"Die Betroffene lässt sich ein, einen Tag vorher habe eine Freundin den Pkw in der ... abgestellt und am 2.12.2002 sei sie zu Fuß zum Standort ihres Pkw's gegangen, wobei ihr nicht aufgefallen sei, dass es sich um eine Tempo-30 Zone handle. Auf der ganzen Strecke, die sie gefahren sei, sei kein Schild ersichtlich gewesen, welches auf die Zone Tempo 30 hingewiesen habe."
c) Zur Schuldform:
"Die Betroffene hat damit fahrlässig ordnungswidrig nach 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG gehandelt. Bei gehöriger Sorgfalt hätte sie die Tempo-30 Beschilderung erkennen können und müssen, selbst wenn sie zu Fuß zu ihrem Pkw gegangen ist, da gerichtsbekannt am Beginn und am Ende der Zone die entsprechende Beschilderung aufgestellt ist. Darüber hinaus muss jeder Kraftfahrer abseits von Hauptstraßen grundsätzlich mit einer Tempo-30 Zone rechnen, insbesondere in einem Wohnbereich, in der die ... liegt."
2. Ein fahrlässiges Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h innerorts würde angesichts der Vorbelastungen die Ahndung mit einem Fahrverbot dann rechtfertigen, wenn die von der Betroffenen geltend gemachte nur leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen war. Das "Augenblicksversagen" kann darin liegen, die Geschwindigkeitsbegrenzung beim Aufsuchen des Stellplatzes einfach übersehen zu haben.
Die oben unter 1. c) zitierten Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil sind indes nicht ausreichend, um das behauptete "Augenblicksversagen" zu verneinen.
a) Ein "Augenblicksversagen" könnte zu einem Absehen von einer sonst gebotenen Ahndung mit einem Fahrverbot wegen gröblicher oder beharrlicher Pflichtverletzung führen; Denn die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zum Augenblicksversagen entwickelt hat (BGHSt 43, 241), gelten entsprechend auch für die Fälle beharrlicher Pflichtwidrigkeiten, da die Grundkonstellationen in beiden Fallgruppen einander entsprechen (OLG Hamm VRS 97, 499; OLG Köln DAR 2003, 183; BayObLG Beschluss vom 28.5.2001 - 2 ObOWi 212/01). War die Betroffene ortsunkundig und nicht selbst in die geschwindigkeitsbegrenzte Zone gefahren, sondern hatte sie erst dort ihr Fahrzeug übernommen und war sodann von dort weggefahren, kann ein schuldhafter Verstoß eine Überschreitung der angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h ausgeschlossen sein (vgl. OLG Düsseldorf VRS 93, 469; BayObLG aaO).
Grundsätzlich müssen Verkehrszeichen so aufgestellt sein, dass sie deutlich sichtbar und wahrnehmbar sind (BGHSt 11, 7/9; BayObLG VRS 54, 306; Hentschel Straßenverkehrsrecht 37.Auf1. 39 StVO Rn.32 ff. m.w.N.). Für Zonengeschwindigkeitsbeschränkungen ist dieser Grundsatz jedoch eingeschränkt (vgl. KG VRS 74, 141). Nach der Verwaltungsvorschrift-StVO zu den Zeichen 274.1 und 274.2 ist lediglich am Anfang der Zone das Zeichen 274.1 aufzustellen und das Ende des Bereichs durch Zeichen 274.2 zu kennzeichnen. Innerhalb der Zone ist die Aufstellung der Zonengeschwindigkeitsbeschränkung nicht vorgeschrieben; diese gilt grundsätzlich bis zu ihrer Aufhebung, und zwar auch dann, wenn aufgrund des äußeren Eindrucks (z.B. Bebauung) nicht erkennbar ist, dass eine Zonengeschwindigkeitsbeschränkung vorliegt.
Eine Bewertung des Verhaltens als nur leicht fahrlässig kommt bei fehlender Ortskenntnis aber nur dann in Betracht, wenn sich nach den örtlichen Gegebenheiten eine Geschwindigkeitsbegrenzung nicht aufdrängte (KG VRS 101, 60).
Soweit das Amtsgericht ausgeführt hat, dass jeder Kraftfahrer abseits von Hauptstraßen grundsätzlich mit einer Tempo-30 Zone insbesondere in einem Wohnbereich rechnen muss, ist dieser Ansatz richtig. Denn mit derartigen Zonen hat jeder Verkehrsteilnehmer innerhalb geschlossener Ortschaften im Hinblick auf die schon jetzt gegebene und in Zukunft vermehrt zu erwartende Häufigkeit ihrer Anordnung regelmäßig zu rechnen, auch wenn eine konkrete Nachforschungspflicht insoweit nicht besteht (OLG Hamm VRS 93, 469/471).
Die oben genannten Ausführungen sind indes nicht ausreichend, um bloßes einfaches Übersehen der Zonenbeschilderung auszuschließen. Nähere Feststellungen, aufgrund welcher konkreten Umstände die Betroffene die Geschwindigkeitsbegrenzung in der verkehrsberuhigten Zone hätte erkennen können, fehlen.
Der Vortrag, das Kraftfahrzeug sei von einer Freundin in dieser Zone abgestellt worden, wurde nicht überprüft. Diese Einlassung könnte eine bloße Schutzbehauptung darstellen. Zur Abklärung wird die Betroffene bei Richtigkeit ihrer Einlassung auf Nachfrage die Freundin benennen und eine Zeugenbefragung nicht verhindern. Weiterhin ist die Frage der Ortsunkenntnis nicht abgeklärt. Bei wiederholtem Aufsuchen einer geschwindigkeitsbegrenzten Zone wird eine Bewertung des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit als bloßes Augenblicksversagen eher ausgeschlossen sein.
Zwar ist im Urteil festgestellt, dass die Straße in einem Wohnbereich liegt. Aber auch in einem solchen kommt dem Ausbauzustand der Straße angesichts des vorgetragenen Geschehensablaufs erhebliches Gewicht bei. Auch in einem Bereich mit Wohnbebauung kann eine Straße in einer Weise ausgebaut sein, dass sie optisch einer Hauptverkehrsstraße nahe kommt. Die Art der Bebauung, z.B. beidseits und mit kleinen Häusern, kann indes eine Geschwindigkeitsbeschränkung nahelegen.
Angesichts der konkreten Einlassung der Betroffenen zum bloßen Übersehen einer angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung beim Betreten der Zone stellt sich der Ausschluss bloßer einfacher Fahrlässigkeit angesichts fehlender weiterer Feststellungen als nicht frei von Rechtsfehlern dar.
Nähere Feststellungen hierzu sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Betroffene auch die allgemein innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 7 km/h überschritt. Insoweit ist die obergerichtliche Rechtsprechung zwar nicht einheitlich. So ist einerseits (OLG Hamm VRS 98, 452 = DAR 2000, 325) eine gefahrene Geschwindigkeit mit 63 km/h nicht ausreichend, um ein Augenblicksversagen entfallen zu lassen. Andererseits (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003, 279) wurde ein Berufen auf ein Augenblicksversagen wegen vorherigen Sorgfaltswidrigen Verhaltens bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 59 km/h verneint. Das Überschreiten der ansonsten innerörtlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 7 km/h stellt aber nicht ein so grob nachlässiges Verhalten dar, dass es ein Augenblicksversagen ausschließen würde, zumal das Übersehen der Zonenbeschilderung nach der Einlassung der Betroffenen dann erfolgt war, als sie als Fußgängerin die Zone betrat und nicht als Kraftfahrerin, die auf entsprechende Verkehrsschilder besonders zu achten hat.
3. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen führt daher zur Aufhebung mit den zugrunde liegenden Feststellungen ( 353 Abs. 1 und 2 StPO i.V.m. 79 Abs. 3 OWiG) und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht Nürnberg ( 354 Abs. 2 ZPO i.V.m. 79 Abs. 6 OWiG) zu neuer Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Urteil 32
"Kombi" kann bei einer Geschwindigkeitsübertretung ein Lastkraftwagen sein.
BayObLG
Az: 1 ObOWi 219/03
Beschluss vom: 23.07.2003
Der 1. Senat für Bußgeldsachen des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat wegen Verkehrsordnungswidrigkeit am 23. Juli 2003 einstimmig beschlossen:
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Landshut vom 19. Juni 2002 im Rechtsfolgenausspruch dahin gehend abgeändert, dass die Geldbuße auf 250,-- Euro herabgesetzt wird und das Fahrverbot entfällt.
II. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
III. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Die Gebühr wird um ein Drittel ermäßigt. Von den im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen und von den notwendigen Auslagen des Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren trägt die Staatskasse ein Drittel.
Gründe:
I. Das Amtsgericht Landshut hat den Betroffenen am 19.6.2002 wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 74 km/h zur Geldbuße von 500,-- Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Bei dem von ihm gelenkten Fahrzeug handle es sich laut Eintrag im Fahrzeugschein um einen Pkw. Er sei deshalb nicht an die in 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO vorgeschriebene Geschwindigkeitsbeschränkung gebunden gewesen.
II. Die nach 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.
1. Das Amtsgericht hat den Betroffenen zu Recht wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO, 24 StVG verurteilt. Denn bei dem vom Betroffenen gesteuerten Kraftfahrzeug handelte es sich nicht um ein von der Geschwindigkeitsbeschränkung des 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO ausgenommenen Personenkraftwagen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war das Fahrzeug nach Bauart und Einrichtung nicht zur Personenbeförderung, sondern zum Gütertransport, nämlich zur Automatenbeförderung, bestimmt. Außer der Sitzbank für Fahrer und Beifahrer befanden sich keine weiteren Sitzgelegenheiten im Fahrzeug. Die Sitzbank war durch eine feste Wand von der Ladefläche getrennt. Das Fahrzeug war auch am Tattag als Lastkraftwagen (zur Definition vgl. BayObLGSt 1997, 69/70) zum Transport von Automaten eingesetzt gewesen. Außerdem überschritt sein zulässiges Gesamtgewicht mit 4,6 t den in 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO angeordneten Grenzwert von 3,5 t, ab welchem für Lastkraftwagen die Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h gilt. Das Amtsgericht hat aber auch zu Recht verneint, dass es sich bei dem Tatfahrzeug um einen Personenkraftwagen im Sinne von 23 Abs. 6 a StVZO handelt. Als Personenkraftwagen sind nach dieser Bestimmung auch Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t zu bezeichnen, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen, und die außer dem Führersitz Plätze für nicht mehr als acht Personen haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Einordnung eines solchen Fahrzeugs als Personenkraftwagen nach Umrüstung zur Güterbeförderung ausgeschlossen ist (OLG Hamm VRS 47, 469; OLG Karlsruhe VRS 68, 383) oder, ob unabhängig von der baulichen Einrichtung und Verwendung, auf seine Bezeichnung durch den Hersteller und seine Zulassung durch die Zulassungsstelle (als Pkw) abzustellen ist (OLG Stuttgart VRS 68, 302/303). Denn die Einordnung des Tatfahrzeugs als Pkw nach 23 Abs. 6 a StVZO scheitert hier, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, bereits daran, dass es mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 4,6 t den Grenzwert von 2,8 t überschritten hat. Dass das Tatfahrzeug in den Zulassungspapieren und in der Betriebserlaubnis des Kraftfahrzeugbundesamtes als - Pkw geschlossen , - entspricht Kombilimousine bezeichnet ist, ändert an dieser Einordnung nichts (OLG Düsseldorf NZV 1991, 483; BayObLGSt 1997, 69/70). Angesichts seiner Bauart und lastwagentypischen Ausstattung sowie seiner Bestimmung zur Güterbeförderung kommt eine Einordnung als Personenkraftwagen daher nicht in Betracht (zur Einordnung eines alternativ als Kraftomnibus oder Lkw zugelassenen Kraftfahrzeugs, das nach Ausbau der Fahrgastsitze zur Güterbeförderung verwendet wurde, BayObLGSt 2001, 154/156). Der Betroffene durfte unter diesen Umständen nach 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO mit dem Tatfahrzeug nicht schneller als 80 km/h fahren.
2. Zutreffend ist das Amtsgericht von einer vorsätzlichen Tatbegehung ausgegangen. Denn der Betroffene kannte bei der Geschwindigkeitsüberschreitung alle zum gesetzlichen Tatbestand gehörigen Umstände. Nicht zu beanstanden ist, dass das Amtsgericht im Hinblick darauf, dass der Betroffene das Tatfahrzeug irrtümlich als Pkw eingeordnet und deshalb davon ausgegangen ist, auf Autobahnen nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung des 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO gebunden zu sein, von einem Verbotsirrtum ( 11 Abs. 2 OWiG) ausgegangen ist (OLG Düsseldorf VM 1960, 18; Göhler OWiG 13. Aufl. 11 Rn. 6 und 9; KK/OWiG -- Rengier 2. Aufl. 11 Rn. 111).
Die Ausführungen des Tatrichters, dass der Betroffene bei Anwendung der ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass er zum Tatzeitpunkt mit einem Lkw und nicht mit einem Pkw unterwegs gewesen sei, er also aufgrund eines vermeidbaren Verbotsirrtums gehandelt hat, begegnen im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nicht zu beanstanden ist, dass das Amtsgericht dem Betroffenen angelastet hat, sich lediglich auf Rechtsauskünfte verlassen zu haben, die sein Arbeitgeber bei den Zulassungsstellen und dem Kraftfahrt-Bundesamt, nicht aber bei einer für die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen Stelle erholt habe. Gerade im Hinblick darauf, dass das Tatfahrzeug nach seinen Maßen und nach Art. seines Ausbaus sich von üblichen Personenkraftwagen erheblich unterschied und typische Merkmale eines Lkw aufwies sowie in Kenntnis der Zweifel über seine Einordnung, die seinen Arbeitgeber veranlasst haben, Erkundigungen über die rechtliche Wertung des Fahrzeuges als Pkw oder Lkw anzustellen, hatte der Betroffene die Pflicht, selbst alle zumutbaren Erkenntnisquellen auszuschöpfen. Er durfte sich mit der Auskunft seines Arbeitgebers nicht begnügen, da es auf der Hand lag, dass die von seinem Arbeitgeber befragten Behörden, deren Tätigkeitsschwerpunkt im Zulassungsbereich liegt, zu Auskünften über Rechtsfragen, die die Straßenverkehrsordnung betreffen, nicht die erforderliche Kompetenz haben würden.
3. Der Rechtsfolgenausspruch hält allerdings der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat zwar die Tatsache, dass der Betroffene im Bewusstsein gehandelt hat, beim Überschreiten der Geschwindigkeit von 80 km/h nichts Unerlaubtes zu tun, zutreffend als schuldmindernd gewürdigt. Dieser Umstand lässt die Indizwirkung des Regelfalls entfallen (Deutscher NZV 2001, 101/102) und erlaubt es daher nach 1 Abs. 2 BKatV, von den Regelsätzen der Bußgeldkatalogverordnung nach unten abzuweichen.
a) Das Amtsgericht hat trotz der Feststellung, dass der Betroffene aufgrund eines vermeidbaren Verbotsirrtums gehandelt hat, die Geldbuße jedoch nicht reduziert, sondern diese über den Regelsatz von 375,-- Euro auf 500,-- Euro angehoben.
Zur Begründung hierfür hat das Amtsgericht sich auf weitere vom Betroffenen am Tattat begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen gestützt. Diese Bewertung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Laut Tenor und der im Urteil getroffenen Feststellungen ist Gegenstand der Verurteilung allein die vom Betroffenen am 19.2.2002 kurz vor 10 Uhr begangene Geschwindigkeitsüberschreitung. Unabhängig von der Verfahrens- und sachlich-rechtlichen Einordnung der 10 weiteren Geschwindigkeitsüberschreitungen, die der Betroffene am Tattag begangen hat (vgl. BayObLGSt 1997, 18) und der Frage, ob sich bereits aus dem Bußgeldbescheid eine wirksame Teileinstellung nach 47 Abs. 1 OWiG hinsichtlich dieser Verstöße durch die Verfolgungsbehörde ergibt, hat das Amtsgericht übersehen, dass die weiteren Tathandlungen ebenfalls eine Folge des Verbotsirrtums sind und dass deshalb Gegenstand der Bewertung des Fehlverhaltens des Betroffenen im subjektiven Bereich lediglich der Vorwurf ist, sich nicht über die richtige rechtliche Einordnung des Tatfahrzeugs durch Auskunft bei den richtigen Behörden rechtzeitig Klarheit verschafft zu haben. Die weiteren Tathandlungen weisen daher unabhängig davon, ob sie eine natürliche Handlungseinheit mit der Tat bilden oder ob sie als selbständige Taten, die in Tatmehrheit stehen, zu beurteilen sind -- die erforderlichen Feststellungen zur Abgrenzung werden im Urteil nicht mitgeteilt --, keinen an der Vielzahl der Verstöße zu messenden erhöhten Handlungsunwert auf.
b) Auch die Entscheidung über die Verhängung des Fahrverbots ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Amtsgericht hat im Hinblick auf den Verbotsirrtum des Betroffenen das Regelfahrverbot von drei Monaten ( 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 des Anhangs) auf einen Monat reduziert. Wenn wie hier ein Regelfall nach der Bußgeldkatalog-Verordnung vorliegt, scheidet die Anordnung eines Fahrverbotes dann aus, wenn dem Betroffenen, der objektiv grob und/oder beharrlich seine Pflichten im Straßenverkehr verletzt hat, subjektiv ein solcher schwerer Pflichtenverstoß nicht angelastet werden kann. Da der der Verurteilung zugrunde liegende Geschwindigkeitsverstoß nicht auf besonderer Rücksichts- oder Verantwortungslosigkeit des Betroffenen, sondern auf seiner Verbotsunkenntnis beruht, ist es hier daher nicht geboten, mit der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes auf den Betroffenen erzieherisch einzuwirken (vgl. KG NZV 1994, 159; OLG Düsseldorf VRS 85, 296/298).
4. Die fehlerhafte Rechtsfolgenentscheidung erfordert nicht die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Der Senat kann vielmehr auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen selber über die Rechtsfolgen entscheiden. Angesichts der durch den vermeidbaren Verbotsirrtum erheblich geminderten Schuld und des Umstandes, dass der Betroffene bisher verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, hält der Senat eine Geldbuße von 250,-- Euro für tat- und schuldangemessen. III. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist daher das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch unter Herabsetzung der Geldbuße auf 250 Euro aufzuheben. Die weitergehende Rechtsbeschwerde ist als unbegründet zu verwerfen ( 79 Abs. 6 Satz 1 OWiG). Gemäß 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. 71 Abs. 1 OWiG hat der Betroffene die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Im Hinblick auf sein teilweises Obsiegen entspricht es jedoch der Billigkeit, gemäß 473 Abs. 4 StPO i.V.m. 71 Abs. 1 OWiG die Gebühr um ein Drittel zu ermäßigen und ein Drittel der notwendigen Auslagen des Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren der Staatskasse aufzuerlegen.
Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.
Urteil 33
Von einem standardisierten Messverfahren kann nur dann gesprochen werden, wenn das Gerät von seinem Bedienungspersonal auch wirklich standardmäßig, d.h. in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs-/Gebrauchsanweisung verwendet wird, und zwar nicht nur beim eigentlichen Messvorgang, sondern auch bei den ihm vorausgehenden Gerätetests. Das Gericht darf sich dem Gutachten eines Sachverständigen nicht einfach nur pauschal anschließen. Will es seinem Ergebnis ohne Angabe eigener Erwägungen folgen, müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergeben. Der allgemeine Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung reicht dazu nicht aus.
Oberlandesgericht Koblenz
Az.: 1 Ss 141/05
Beschluss vom 12.08.2005
Vorinstanz: Staatsanwaltschaft Trier, Az.: 8011 Js 13331/04 36 OWi
Leitsätze:
1. Von einem standardisierten Messverfahren kann nur dann gesprochen werden, wenn das Gerät von seinem Bedienungspersonal auch wirklich standardmäßig, d.h. in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs-/Gebrauchsanweisung verwendet wird, und zwar nicht nur beim eigentlichen Messvorgang, sondern auch bei den ihm vorausgehenden Gerätetests.
2. Dass ein Sachverständiger für "Straßenverkehrsunfälle" und/oder das "Kraftfahrzeugwesen" auch die zur Beurteilung eines Laser-Mess-Sachverhalts bei dem es zudem auch noch zu Verstößen gegen einschlägige Bedienungsvorschriften (und dadurch zur Nichteinhaltung der Voraussetzungen der Bauartzulassung und der Geräteeichung) gekommen war - erforderliche Sachkunde auf dem Gebiet der Laser-Messtechnik besitzt, versteht sich nicht von selbst und bedarf daher näherer Darlegung. Unterbleibt dies, leidet das Urteil an einem Darstellungsgemangel.
3. Das Gericht darf sich dem Gutachten eines Sachverständigen nicht einfach nur pauschal anschließen. Will es seinem Ergebnis ohne Angabe eigener Erwägungen folgen, müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergeben. Der allgemeine Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung reicht dazu nicht aus.
In dem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung hat der 1. Strafsenat - Senat für Bußgeldsachen - des Oberlandesgerichts Koblenz am 12. August 2005 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Trier vom 21. Februar 2005 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
1.
Der Betroffene ist von den beiden als Zeugen vernommenen Polizeibeamten M und D auf der B außerorts mit 154 km/h gemessen worden. Als Messvorrichtung diente ihnen eine sog. "Laser-Pistole" des Fabrikats Riegl mit der Typenbezeichnung FG 21P.
Unter Abzug von 3 % Toleranz ist das Amtsgericht auf dieser Grundlage von einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 49 km/h ausgegangen. Über die vom Zeugen M vor Messbeginn durchgeführten Gerätetests enthält das Urteil folgende Feststellungen:
"Er hatte die vor der Messung vorgeschriebenen Tests, insbesondere den Align-Test, durchgeführt. Er hatte den Align-Test an einem 133 m entfernten Verkehrsschild durchgeführt Die Tatsache, dass der Align-Test in einer Entfernung von 133 m gemacht wurde, ist nach den Ausführungen des Sachverständigen N P nicht zu beanstanden. Nach den Herstellervorgaben ist der Align-Test in einer Entfernung von ca. 150 bis 200 m durchzuführen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung entstehen bei einer Abweichung von dieser Entfernungsvorgabe um ca. 10 % keinerlei Messunsicherheiten oder -fehler. Die gewählte Entfernung von 133 m (11,3 % Abweichung von der unteren Entfernungsvorgabe von 150 m) war sachverständigenseits festgestelltermaßen nicht zu beanstanden
Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Messung aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugen M und D sowie des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen N P festgestelltermaßen ordnungsgemäß erfolgt ist."
Der Betroffene hatte die Korrektheit der Messung und Richtigkeit des Messergebnisses in Abrede gestellt.
2.
Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Die vorzitierten Urteilsausführungen sind rechtsfehlerhaft. Sie genügen nicht den Anforderungen, die bei bestreitender Einlassung des Betroffenen an die Darlegung eines ordnungsgemäß zu Stande gekommenen Messergebnisses zu stellen sind (grundlegend BGH NJW 1993, 3081, 3083/3084).
Aufgrund seiner zu den Vortests getroffenen Feststellungen durfte das Amtsgericht nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren ausgehen. Zwar handelt es sich bei der hier vorgenommenen Lasermessung um ein in der Rechtsprechung grundsätzlich als geeignet anerkanntes Messverfahren (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 3 StVO Rdnr. 61 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Die Lasermessung mit den gebräuchlichen Geräten (zu denen auch das hier verwendete Riegl FG 21P wie dessen Vorläufer LR-90 -235/P zählt) ist daher jedenfalls in Bezug auf den eigentlichen Messvorgang ein standardisiertes Verfahren im Sinne der Rechtsprechung (BGH aaO.). Das gilt jedoch nur dann, wenn das Gerät von seinem Bedienungspersonal auch wirklich standardmäßig, d.h. in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs-/Gebrauchsanweisung verwendet wird, und zwar nicht nur beim eigentlichen Messvorgang, sondern auch und gerade bei den ihm vorausgehenden Gerätetests. Denn nur durch diese Tests kann mit der für eine spätere Verurteilung ausreichenden Sicherheit festgestellt werden, ob das Gerät in seiner konkreten Aufstellsituation tatsächlich mit der vom Richter bei standardisierten Messverfahren vorausgesetzten Präzision arbeitet und so eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stellt.
Nach den Urteilsfeststellungen wurde beim Align-Test gegen die "Herstellervorgaben" (womit ersichtlich die Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung gemeint ist) verstoßen. Diese schreiben vor, dass der Align-Tests, der den ordnungsgemäßen Zustand der entscheidend wichtigen Visiereinrichtung gewährleisten soll und somit von zentraler Bedeutung für eine einwandfreie Gerätefunktion ist, innerhalb eines Entfernungsbereichs von 150 bis 200 m vorzunehmen ist. Tatsächlich wurde bei diesem Test aber ein Ziel in nur 133 m Entfernung angepeilt. Die Bedienungs-/Gebrauchsanweisung bzw. -anleitung, in der die Testmodalitäten festgelegt sind, ist Bestandteil der Bauartzulassung zur Eichung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt. Auch der Eichschein selbst nimmt, wie dem Senat aus vielen Bußgeldverfahren bekannt ist, ausdrücklich auf die Bedienungsanleitung Bezug, wobei regelmäßig Formulierungen wie
"Durch das Ergebnis der Prüfung wird gewährleistet, dass das Laser-Geschwindigkeitsmessgerät die Verkehrsfehlergrenzen einhält, wenn es gemäß der Bedienungsanleitung gehandhabt wird"
oder ähnlich Verwendung finden. Die Einhaltung der Gebrauchsanweisung des Geräteherstellers ist somit in dem Sinne verbindlich, dass nur durch sie das hierdurch standardisierte Verfahren, d. h. ein bundesweit einheitliches, korrektes und erprobtes Vorgehen, sichergestellt ist. Kommt es im konkreten Einzelfall zu Abweichungen von der Gebrauchsanweisung, so handelt es sich in diesem Falle nicht mehr um ein standardisiertes Messverfahren, sondern um ein individuelles, das nicht mehr die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit für sich in Anspruch nehmen kann. Das Gerät ist dann auch nicht mehr als ein geeichtes anzusehen, weil das im Eichschein verbriefte Prüfergebnis bezüglich der Einhaltung der Verkehrsfehlergrenzen für eine solche Art der Bedienung (besser: Fehlbedienung) keine Gültigkeit besitzt. Es liegen dann konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Messfehlern vor mit der Folge, dass das Gericht, wenn es die Verurteilung auf ein solches, durch den Mangel eines Verstoßes gegen die Gebrauchsanweisung belastetes Messergebnis stützen will, dessen Korrektheit individuell zu überprüfen hat.
3.
Eine solche Überprüfung ist in aller Regel ohne Mitwirkung eines Sachverständigen für Messtechnik nicht möglich.
Dem angefochtenen Urteil ist zwar zu entnehmen, dass das Amtsgericht einen Sachverständigen zu Rate gezogen hat. Über den Fachbereich dieses Sachverständigen enthält das Urteil jedoch keine Angaben. Aus anderen Verfahren, insbesondere darin enthaltenen Gutachten, ist dem Senat bekannt, dass es sich bei dem Sachverständigen P..... um einen öffentlich bestellten Sachverständigen für "Straßenverkehrsunfälle", nach eigenen Angaben auch für das "Kfz-Wesen" ganz allgemein, nicht aber um einen solchen für Messtechnik handelt. Dass ein Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle und/oder das "Kraftfahrzeugwesen" auch die zur Beurteilung des vorliegenden Mess-Sachverhalts bei dem es zudem auch noch zu Verstößen gegen einschlägige Bedienungsvorschriften (und dadurch zur Nichteinhaltung der Voraussetzungen der Bauartzulassung und der Geräteeichung) gekommen war erforderliche Sachkunde auf dem Gebiet der Laser-Messtechnik besitzt, versteht sich nicht von selbst und hätte daher näherer Darlegung bedurft. Insoweit leidet das Urteil an einem Darstellungsmangel.
Das unspezifische Fachgebiet schließt zwar nicht aus, dass der Sachverständige die zur Beurteilung der durch den Verstoß gegen die Bedienungsanleitung entstandenen Fragen nötige Sachkunde besitzt oder sich diese speziell im Hinblick auf das vorliegende Verfahren verschafft hat, etwa durch Einholung einer Auskunft der hierfür besonders qualifizierten Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Dazu aber müssen sich die Urteilsgründe in nachvollziehbarer, eine Überprüfung auf Rechtsfehler ermöglichenden Weise verhalten.
Sollte es, was denkbar wäre, so gewesen sein, dass der Sachverständige P..... zwar die zur Begutachtung standardmäßig abgelaufener Messvorgänge nötige Sachkunde besitzt, nicht aber das spezielle Fachwissen, das zur Beurteilung der Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Anweisungen der Bedienungsanleitung erforderlich ist, und sollte er deshalb, was nicht nur zulässig, sondern auch nahe liegend gewesen wäre, speziell zu den hier maßgeblichen Fragestellungen eine Fachauskunft der erwähnten Bundesanstalt eingeholt haben, so wäre dies im einzelnen darzustellen und insbesondere der Wortlaut dieser Auskunft wiederzugeben gewesen. Nur dann wäre es dem Senat möglich zu beurteilen, ob eine solche Auskunft das auf sonstige Weise nicht erläuterte "Ergebnis" des Sachverständigen wirklich trug oder ob der Sachverständige, wenn er von einer solchen Auskunft abgewichen sein sollte, hierfür ein überlegenes Fachwissen und daher überzeugende Gründe ins Feld führen kann.
4.
Unabhängig davon gilt folgendes: Das Gericht darf sich dem Gutachten eines Sachverständigen nicht, wie hier geschehen, einfach nur pauschal anschließen. Will es seinem Ergebnis ohne Angabe eigener Erwägungen folgen, müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergeben (Senat, 1 Ss 361/04 vom 21.12.2004; st. Rspr, vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner, StPO, 267 Rdnr. 13). Der allgemeine Hinweis auf die "Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung", wonach "die gewählte Entfernung von 133 m (11,3% Abweichung von der unteren Entfernungsvorgabe von 150 m) sachverständigenseits festgestelltermaßen nicht zu beanstanden" sei, reicht dazu schon deshalb nicht aus, weil diese Formulierung inhaltsleer ist und z. B. auch nichts darüber besagt, ob bei diesen (nicht näher erläuterten) "sachverständigenseitigen Feststellungen", bei denen es sich möglicherweise um eigene Versuche des Gutachters (oder Dritter) handelte, auch der hier festgestellte Verstoß gegen die Bedienungsanweisung simuliert wurde (Senat aaO.). Auch darin liegt ein mit der Sachrüge angreifbarer Darstellungsmangel.
5.
Für die neue Hauptverhandlung wird auf folgendes hingewiesen: Das Zustandekommen einer Meinungsäußerung des Sachverständigen ist mit ihren Anknüpfungstatsachen im einzelnen darzulegen, eine ihr etwa zu Grunde liegende Fachauskunft anderer Stellen offen zu legen und zumindest ihrem Inhalt nach mitzuteilen. Nur so kann die Schlüssigkeit einer Beurteilung des Sachverständigen revisionsgerichtlich überprüft werden.
Geht es um die Frage der konkreten Auswirkung eines festgestellten Verstoßes gegen die Bedienungsanleitung (und damit gegen die Vorgaben der Bauartzulassung und des Eichscheins), liegt es nahe, die Sach- und Fachkunde derjenigen Stellen zu nutzen, die für die Beurteilung der Tragweite solcher Fehler am ehesten prädestiniert sind; das ist einmal der Gerätehersteller selbst (der aufgrund seiner "Intimkenntnis" des Messgeräts die einschlägigen Anweisungen in der Bedienungsanleitung formuliert hat, gerade um Messungenauigkeiten zu vermeiden) und zum anderen die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, die die Bauartzulassung erteilt und dazu das Gerät in punkto Zuverlässigkeit und Genauigkeit auf Herz und Nieren geprüft hat. Die Heranziehung solcher Sachverständigen hat zudem den Vorteil, dass dadurch keine zusätzlichen Verfahrenskosten anfallen, da diese Stellen ihr Fachwissen regelmäßig unentgeltlich zur Verfügung stellen und auch in der Lage sind, sich schriftlich in der vom Gericht benötigten Klarheit und Eindeutigkeit zu artikulieren. Hält das Gericht es dennoch für angebracht, einen anderen Sachverständigen einzuschalten, so hat es, sofern dieser nicht auch für das Fachgebiet der Messtechnik öffentlich bestellt ist, sondern für das "Kfz-Wesen" (und/oder, wie auch im Falle der oben erwähnten Senatsentscheidung vom 21.12.2004, für "Straßenverkehrsunfälle"), dessen besondere Fach- und Sachkunde, um derentwillen er hinzugezogen wurde, im Urteil darzulegen, und zwar auch und gerade für "regelwidrige" Fälle wie den hier vorliegenden.
Urteil 34
Zu den Anforderungen eines Urteils bei einer Verurteilung wegen Geschwindigkeitsübertretung, die durch ein Nachfahren eines Polizeifahrzeuges bei Nachtzeit festgestellt wurde.
OLG Hamm
Az.: 3 Ss OWi 98/04
Beschluss vom 23.03.2004
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 24. November 2004 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Essen hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom 24. November 2003 wegen Überschreitens der nach Zeichen 274 zulässigen Höchstgeschwindigkeit (fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit nach 24 StVG i.V.m. 41, 49 Abs. 3 Ziffer 4 StVO) eine Geldbuße von 400,- € verhängt sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten angeordnet.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 20. November 2002 gegen 23.38 Uhr in Essen die BAB 52 aus Fahrtrichtung Bochum kommend in Fahrtrichtung Düsseldorf. Dabei überschritt er zwischen Kilometer 78,0 und 77,0 die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 64 km/h. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte durch zwei Polizeibeamte durch Nachfahren mit einem Funkstreifenwagen, der mit einem justierten Tachometer ausgerüstet war. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte über eine Strecke von ca. 1.000 m, wobei der Abstand zwischen dem Polizeifahrzeug und dem PKW des Betroffenen 100 m betrug. Nach den Urteilsfeststellungen hatten sich die beiden Polizeibeamten, was die Bemessung des Abstandes betrifft, an den in 50 m Abstand aufgestellten Leitpfosten der Autobahn orientiert.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht in der gemäß 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. 79 Abs. 3 OWiG gebotenen Weise ausgeführt und deshalb unzulässig.
Mit der erhobenen Sachrüge hat die Rechtsbeschwerde indes einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Essen.
Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß 24 StVG i.V.m. 41, 49 Abs. 3 Ziffer 4 StVO (Zeichen 274) nicht. Das Amtsgericht hat die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit entwickelten Grundsätze nicht ausreichend berücksichtigt. Danach muss der Tatrichter bei einer durch Nachfahren zur Nachtzeit gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung über die allgemeinen Grundsätze zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren hinaus zusätzlich Feststellungen dazu treffen, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren und ob bei den zur Nachtzeit regelmäßig schlechteren Sichtverhältnissen der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rdnr. 62 zu 3 StVO, Senatsbeschluss vom 27. Februar 2001 - 3 Ss OWi 1209/00 m.w.N. -; Beschluss des hiesigen 4. Senats für Bußgeldsachen vom 12. Oktober 1999 - 4 Ss OWi 610/99 - und des 2. Senats vom 13. März 2003 - 2 Ss OWi 201/03 (NStZ-RR 04, 26).
Zwar sind im Ordnungswidrigkeitenverfahren keine besonders hohen Anforderungen an die Gründe des tatrichterlichen Urteils zu stellen, jedoch müssen die Gründe so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht zur Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung dem Urteil entnehmen kann, von welchen tatsächlichen Feststellungen der Tatrichter ausgegangen ist.
Diesen Anforderungen werden vorliegend die Feststellungen des Amtsgerichts zum Abstand des nachfahrenden Polizeifahrzeuges zum vorausfahrenden Fahrzeug des Betroffenen nicht gerecht. Das Amtsgericht teilt nämlich nur mit, dass der Abstand von 100 m in der Weise von den Polizeibeamten festgestellt worden sei, dass sie sich an den in 50 m Abstand aufgestellten Leitpfosten der Autobahn orientiert hatten. Feststellungen dazu, wie die Polizeibeamten diesen Abstand zur Nachtzeit ermittelt haben, fehlen jedoch. Ob die Polizeibeamten die Rücklichter am Fahrzeug des Betroffenen trotz der Dunkelheit und des relativ großen Abstandes erkennen konnten, ist nicht dargetan. Bei einem Abstand von 100 m kann aber unter Berücksichtigung der Reichweite des Abblendlichts nicht ohne besondere Feststellungen davon ausgegangen werden, dass allein durch die Scheinwerfer des nachfolgenden Polizeifahrzeugs das vorausfahrende Fahrzeug so aufgehellt worden ist, dass ein gleichbleibender Abstand hinreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte (vgl. Senatsbeschluss vom 27.02.2001 - 3 Ss OWi 1209/00 -; Beschluss des 4. Senats für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. Oktober 1999 - 4 Ss OWi 610/99 -; 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm VRS 96, 458). Diesen Anforderungen wird die bloße Feststellung, dass die Polizeibeamten sich aufgrund der in einem Abstand von 50 m aufgestellten Leitpfosten der Autobahn orientierten, nicht gerecht. Vielmehr bedurfte es weiterer Ausführungen dazu, dass die Beleuchtungsverhältnisse die Wahrnehmung der Rücklichter des Fahrzeugs des Betroffenen zuließen; insoweit könnte neben den konkreten Beleuchtungsverhältnissen auch das Wetter und der Straßenzustand von Bedeutung sein. Entsprechende Feststellungen sind durch den Tatrichter aber nicht getroffen worden. Es fehlt mithin an hinreichenden Feststellungen zur Brauchbarkeit der Messung, also dazu, dass aufgrund der Beleuchtungsverhältnisse und der Orientierungspunkte der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug sicher erfasst und geschätzt werden konnte. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist mithin eine Überprüfung der Entscheidung auf richtige Rechtsanwendung nicht möglich. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Essen zurückzuverweisen.